Finanzamt darf nachträglich für freiberufliche Einkünfte einen Gewerbesteuer-Messbescheid erlassen

Nach dem Urteil des Finanzgerichts München vom 16.10.2003, Az. 5 K 1166/00, ist das Finanzamt nicht daran gehindert, für Einkünfte, die es im Einkommenssteuerbescheid als freiberufliche Einkünfte behandelt hat, nachträglich einen Gewerbesteuer-Messbescheid zu erlassen.
Ein Schauspieler hatte Einkünfte, die er aus Werbefilmen erzielt hatte, als freiberufliche Einkünfte deklariert. Das Finanzamt hatte den Schauspieler entsprechend seiner Einkommensteuerklärung veranlagt. Der Steuerbescheid, in dem die Einkünfte als freiberufliche Einkünfte erfasst sind, wurde bestandskräftig. Nachfolgend stufte das Finanzamt die Einkünfte aus den Werbefilmen als gewerbliche Einkünfte ein und erließ erstmalig einen Gewerbesteuer-Messbescheid.

Die Entscheidung: Das Finanzgericht vertritt die Auffassung, dass das Finanzamt bei der Beurteilung der Gewerbesteuerpflicht nicht daran gebunden ist, wie bestimmte Einkünfte im Einkommensteuerbescheid eingestuft worden sind. Das Finanzamt darf somit auch für Einkünfte, die im  Einkommensteuerbescheid als freiberufliche Einkünfte eingestuft sind, einen Gewerbesteuer-Messbescheid erlassen. Das gilt auch, wenn der Einkommensteuerbescheid bestandskräftig ist und nicht mehr geändert werden kann.

Der Einkommensteuerbescheid ist kein Grundlagenbescheid für die Gewerbesteuer, soweit es um die Qualifizierung von Einkünften geht. Das Finanzamt hatte auch keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, indem es die Einkünfte zuvor erklärungsgemäß als freiberufliche Einkünfte behandelt hatte.

Konsequenzen: Üben Sie eine Tätigkeit aus, die in § 18 EStG ausdrücklich genannt ist, üben Sie zweifelsfrei eine berufliche Tätigkeit aus. Wenn es sich jedoch um Tätigkeiten ahndelt, bei denen

  • z.B. die Qualität als künstlerische Leistung oder
  • die Ähnlichkeit mit den ausdrücklich genannten Tätigkeiten

zu beurteilen ist, können Sie nicht sicher sein, dass das Finanzamt bei einer einmal getroffenen Entscheidung bleibt. Insbesondere sind z.B. künstlerische Tätigkeiten, die Entwicklung von Software, betriebliche Beratungsleistungen usw. betroffen. Das Hauptproblem besteht darin, dass das Finanzamt Ihre Tätigkeit nachträglich als gewerblich einstufen kann, also sogar für einige zurückliegende Jahre. Sie müssen dann die Gewerbesteuer rückwirkend für mehrere Jahre zahlen.

Klären Sie im Zweifel mit Ihrem Finanzamt ab, ob Ihre Tätigkeiten als gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeiten einzustufen sind. Sie sollten – zumindest durch Schriftwechsel mit dem Finanzamt – nachweisen können, dass Ihre Tätigkeit einvernehmlich dem freiberuflichen Bereich zugeordnet worden ist. Ist das der Fall, hat das Finanzamt einen Vertrauenstatbestand geschaffen, durch den es daran gehindert ist, nachträglich Gewerbesteuer-Messbescheide zu erlassen. Ein Vertrauenstatbestand auf den Sie sich berufen können, besteht jedoch nicht bereits dann, wenn das Finanzamt Ihrer Steuererklärung folgt, ohne dass die Qualifizierung Ihrer Tätigkeit erörtert worden ist. Sprich: Ob es sich um gewerbliche oder freiberufliche Einkünfte handelt.