Vor allem das menschliche und zwischenmenschliche Verhalten beeinflusst das Denken und Fühlen der Menschen. Genau hier liegen die Schwierigkeiten der Emanzipation, da das Miteinander der Menschen von bestimmten geschlechtsbezogenen Verhaltensmustern beeinflusst ist. Die Menschen gehen von von getrennten weiblichen beziehungsweise männlichen Charaktereigenschaften aus und entsprechent sagt man: Frauen sind so – Männer eben anders.
Emanzipation: Verhaltensmuster bestimmen das Miteinander
An diesen Grundvorstellungen der Verhaltensmuster zu rütteln, ist nicht einfach. Sie liegen vielfach im Unbewussten verborgen und besitzen eine lange Tradition. Es gilt die Einstellung: Was schon "immer" so gemacht wurde, wird weiterhin so gemacht. Sie an Bekanntem zu orientieren ist einfacher, als sich an Neuerungen zu gewöhnen. Doch hinsichtlich der Emanzipation geht es vor allem um das Verhalten, das Denken und Fühlen der Menschen.
Wer aber im Denken, Verhalten und Fühlen Veränderungen durchsetzen möchte, muss über die gesellschaftlichen Zusammenhänge aufklären. Alle Menschen der Gesellschaft sollten noch mehr von dem erfahren, was die gesellschaftliche Durchsetzung der Gleichberechtigung behindert.
Dabei sollte sich niemand als Außenstehende oder Außenstehender betrachten. Denn letztlich geht es auch und vor allem um das Denken, Fühlen und Verhalten jedes einzelnen. Es stellt sich also die Frage: Warum wird die geschlechtsbezogene Arbeits- und Rollenaufteilung so selbstverständlich und weitverbreitet angenommen, und warum sind andersartige Muster so schwer umzusetzen?
Emanzipation von Weiblichkeit und Männlichkeit
Der Mensch existiert biologisch betrachtet entweder als weibliches oder männliches Wesen. Aus diesem Grund wird allgemein angenommen, dass der Mensch sich deshalb auch speziell weiblich beziehungsweise männlich entwickelt und verhält.
Dies lässt vermuten, dass allein die geburtliche Festlegung des Geschlechts zu bestimmten Charaktereigenschaften und Handlungsweisen führt. Jeder Junge entwickelt sich automatisch zu einem typischen Mann und ein Mädchen entsprechend zu einer typischen Frau. Dies scheint nur natürlich. Doch ist dies wirklich so? Sind typisch weibliche oder männliche Charaktereigenschaften der Frau oder dem Mann naturgemäß angeboren?
Die Schwierigkeiten der Emanzipation liegen in anerzogenem Verhalten
Esgilt zu unterscheiden: Was ist angeboren, und was ist anerzogen? Heute lassen sich noch immer Relikte des einst "tierischen", instinkthaften Verhaltens unserer Vorfahren bei den Menschen wiederfinden. Bei Jungen und Männern lässt sich z.B. eine erhöhte Bereitschaft zu Aggressivität beobachten. Daneben scheint bei männlichen Menschen das Bedürfnis zum "sich aufspielen", "sich darstellen", vermehrt nachweisbar.
Diese Verhaltensweisenlassen sich als Reste des Beschützer-Instinkts und des Balzverhaltens deuten. Sie können somit als angeboren gewertet werden. In der Tierwelt ist die Versorgung des Nachwuchses fast ausschließlich Sache der Weibchen – auch bei den "menschlichen Weibchen" lässt sich der Versorger-Instinkt noch nachweisen. Einige Charaktereigenschaften lassen sich somit auf Grund der tierischen Natur des Menschen als weiblich oder männlich definieren.
Doch bestimmen diese Restbestände tierischer Instinkte das Verhalten nicht mehr sehr stark; sie sind weitestgehend verkümmert. Sie sollten deshalb als natürliche Anlagen gewertet werden. Eine Anlage bedeutet jedoch kein zwingendes Muss sondern eine Möglichkeit. Neben diesen Anlagen sind auch andere Anlagen vorhanden. Jede Frau kann somit von ihren Anlagen her eher weibliche Charaktermerkmale entwickeln, sie muss es aber nicht zwingend.
Bei der Emanzipation hinken wir unserer sonstigen Entwicklung hinterher
In nahezu allen Bereichen der menschlichen Existenz hat sich die Menschheit über ihre tierische Basis hinaus entwickelt. Hierdurch gelten die meisten Instinkte als evolutionär überholt. Nur hinsichtlich der Geschlechterfrage scheint der Mensch bzw. die Gesellschaft den Entwicklungen hinter zu hinken. Dies liegt vor allem an der Förderung geschlechtsspezifischer Muster durch die Umwelt.
Die Umwelt und die Erziehung unterstützen die vorhandenen geschlechtsspezifischen (natürlichen) Relikte. Mädchen bekommen Püppchen geschenkt und sollen sie umsorgen während Jungen dazu angehalten werden, sich zu messen.
Da die beschriebenen Restinstinkte nun einmal noch da sind, wird das typisch weibliche oder männliche auch jeweils eher von Mädchen beziehungsweise Jungen angenommen. Das von Menschen festgelegte System der Erziehung unterstützt die "natürlichen" Anlagen. Dies bedeutet aber gleichsam, dass weibliches oder männliches Verhalten nicht ausschließlich "natürlich" ist – es ist zum großen Teil nicht angeboren sondern anerzogen.
Emanzipation: Menschen im Geschlechtskonflikt
Immer wieder ist davon zu hören, dass es Menschen gibt, die ihr angeborenes Geschlecht für ihr Leben nicht annehmen können. Eine notwendige Geschlechtsumwandlung ist heute medizinisch möglich. Diese Menschen können als Beispiele dafür gewertet werden, dass das Leben auch sehr viel durch unbewusste Wahrnehmung und unbewusste Gefühle gesteuert wird.
Vermutlich sind diese Menschen in einer Umwelt aufgewachsen, die ihnen die Identifikation mit ihrem angeborenen Geschlecht nicht ermöglichte. Sie leben folglich in einer "inneren Gefühlswelt", die ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht entspricht. Frauen empfinden wie Männer (es sollen), aber sie dürfen es nicht zeigen, da die Umwelt eben weibliches Verhalten erwartet; oder umgekehrt.
Für solche Menschen ist es manchmal zu schwer, ja unerträglich, in unserer Gesellschaft mit ihrem angeborenen Geschlecht zu leben. In dieser gegensätzlichen Gefühlslage entscheiden sie sich für eine Geschlechtsumwandlung. Diese Einschätzung legt die Einschätzung nahe: Nicht jede Frau ist natürlicherweise weiblich, nicht jeder Mann ist automatisch männlich.
Um bei der Emanzipation bzw. der gesellschaftlichen Gleichstellung voran schreiten zu können, müssen endlich die geschlechtsbezogenen Muster konkreter hinterfragen und hinsichtlich der Erziehung überdacht werden.