Drohung mit Krankheit bei Urlaubsablehnung: Kündigung gerechtfertigt?

"Wenn ich den Urlaub nicht wie gewünscht bekomme, lass ich mich eben krankschreiben". Diese Drohung kennen Sie vielleicht auch. In der Regel ist bei einer Drohung mit Krankheit für den Fall der Urlaubsablehnung eine Kündigung berechtigt; aber eben nur in der Regel. Wann Sie vorher eine Abmahnung aussprechen müssen, zeigt ein Urteil des LAG Hamm aus dem Juni 2012.

Versucht ein Arbeitnehmer seinen Chef durch die Drohung mit einer Krankheit für den Fall der Urlaubsverweigerung unter Druck zu setzen, so stellt das nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten dar. Und darauf können (und sollten) Sie als Arbeitgeber reagieren. Die Frage ist bloß: wie? Die Antwort ist wie so oft: "Das kommt auf die Umstände des Einzelfalls an". Welche Umstände das sind, ergibt sich aus der Entscheidung des LAG Hamm vom 21.06.2012, Az.: 8Sa 315/12.

Es ging um die Kündigungsschutzklage eines seit 1998 ohne bisherige Abmahnungen beschäftigten LKW-Fahrers. Dieser hatte mehrfach für den gleichen Zeitraum vergeblich Urlaub beantragt. Dieser Urlaub wurde aus betrieblichen Gründen abgelehnt.

Unmittelbar vor dem gewünschten Urlaubstermin erschien der Fahrer mit einer Manschette am Arm bei seinem Geschäftsführer und bat diesen, seinen Arzt anzurufen. Dieser könne bestätigen, dass der Mitarbeiter krank und nicht arbeitsfähig sei. Weiter schlug der Fahrer vor, er werde, wenn er zu dem gewünschten Termin Urlaub erhalte, keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen und nach Urlaubsende geheilt seine Arbeit wieder aufnehmen.

Der Geschäftsführer lehnte diesen Vorschlag ab. Der Mitarbeiter ließ sich sodann für den begehrten Urlaubszeitraum krankschreiben. Der Medizinische Dienst der Krankenkasse (MDK) bestätigte nach Urlaubsende, dass die Arbeitsunfähigkeit weiter vorlag.

Der Arbeitgeber kündigte wegen der unzulässigen Drohung mir Krankheit für den Fall der Urlaubsablehnung das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgemäß.

Kündigung nicht immer gerechtfertigt

Gegen diese Kündigungen wehrte sich der Arbeitnehmer, u. a. mit der Hinweis, er habe verhindern wollen, dass der Arbeitgeber erneut mit krankheitsbedingten Fehlzeiten belastet werde, da er in der Vergangenheit bereits einmal länger wegen Krankheit ausgefallen sei. Daher habe er sicherstellen wollen, dass er seine Genesung während des Urlaubs erreichen könne, ohne dass dies den Arbeitgeber belastet hätte.

Im Ergebnis kippte zunächst das Arbeitsgericht die fristlose Kündigung, bestätigte aber die fristgemäße Kündigung wegen Drohung mit Krankheit für den Fall der Urlaubsablehnung. In der 2. Instanz kassierte das LAG dann auch noch die fristgemäße Kündigung.

Drohung mit Krankheit entspricht einer Pflichtverletzung

Das LAG stellte zunächst fest, dass das Verhalten des LKW-Fahrers unabhängig von dessen Motivation eine Pflichtverletzung darstelle. Auch wenn der Arbeitnehmer objektiv arbeitsunfähig krank sei und ihm daher nicht vorgeworfen werden könne, dass er sich einen rechtswidrigen Vorteil durch unberechtigte Inanspruchnahme von Entgeltfortzahlung und Freizeit erschleichen wolle, bleibe es doch dabei, dass es einen Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Verpflichtung zur Rücksichtnahme darstelle, wenn der Arbeitnehmer den Hinweis auf eine bestehende Erkrankung einsetze, um den Arbeitgeber zu einer Verhaltensänderung zu veranlassen.

Unterscheiden Sie diese 2 Fälle bei der Drohung mit Krankheit

Aber nicht in jedem Fall rechtfertigt das nach Ansicht des LAG eine Kündigung. Denn es sei danach zu differenzieren, ob der Arbeitnehmer tatsächlich krank sei:

1. Drohung mit Krankheit bei tatsächlich nicht erkranktem Mitarbeiter
Hier geht das LAG von einem solch schweren und klaren Pflichtverstoß aus, dass der Mitarbeiter damit rechnen musste, dass dies nicht akzeptiert werden würde. Dem Mitarbeiter ist in einer solchen Situation bewusst, dass er sich einen rechtswidrigen Vorteil verschafft. Eine Abmahnung zu Warnung ist also überflüssig, da dem Mitarbeiter bereits bekannt ist, dass er durch die Drohung mit Krankheit für den Fall der Urlaubsablehnung gegen seine Pflichten verstößt und nicht erwarten kann, dass der Arbeitgeber dies hinnimmt.

2. Drohung mit Krankheit bei tatsächlich erkranktem Mitarbeiter
Ist der Mitarbeiter tatsächlich erkrankt und wäre also berechtigt, sich krankschreiben zu lassen, so hält das LAG die Situation für nicht so eindeutig. Entscheidend sei das Vorliegen einer unzulässige "Zweck-Mittel-Relation". Dabei ist die rechtliche Erfassung einer solchen "Nötigungs-Situation" in Abgrenzung zum Vorwurf unberechtigten Fehlens, der Drohung mit oder Vortäuschung einer Krankheit nicht einfach. Daher könne hier nicht auf die Warnfunktion der Abmahnung verzichtet werden. Das gelte umso mehr als das Arbeitsverhältnis über viele Jahre beanstandungsfrei bestanden habe.

Das bedeutet für Sie bei einer Drohung mit Krankheit wegen der Urlaubsablehnung

Auch, wenn es sich in jedem Fall um einen Pflichtverstoß handelt, kündigen Sie nicht zu schnell. Lässt sich der Arbeitnehmer krankschreiben, können Sie dies durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse überprüfen lassen. Bestätigt dieser die Arbeitsunfähigkeit, so kommt nach der Entscheidung des LAG Hamm nur eine Abmahnung, aber keine Kündigung, in Betracht.