Das Profiling von Bewerbern: Eine umstrittene Methode

Etwa ein Drittel aller Arbeitgeber prüft seine Bewerber vor einer Einladung zum Vorstellungsgespräch im Internet auf Herz und Nieren, weitere zehn Prozent greifen auf das so genannte Profiling von Bewerbern zurück. Diese Methode ist jedoch nicht unumstritten.

Profiling wird zu etwa 10% bei Bewerbungen durchgeführt
Ursprünglich stammt der Begriff „Profiling“ aus der amerikanischen Kriminologie. Die Ermittlungsbehörden, in der Regel das FBI, setzen es ein, um den Kreis der Verdächtigen bei einem Serientäter, der noch nicht konkret identifiziert ist, einzugrenzen. Der Profiler trifft in diesem Zusammenhang Aussagen zu Alter, Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, kognitiven Fähigkeiten, Intelligenz, psychischen Problemen, sozialer Situation, Bildungsstand und beruflichem Hintergrund des Täters.

Die Methode des Profilings findet jedoch zu einem geringen Teil – etwa 10 % –   auch schon bei Bewerbern statt. In diesem Zusammenhang ist die Methode jedoch äußerst umstritten. Die wenigen Personalberater, die Unternehmen das Profiling von Bewerbern als besondere Dienstleistung anbieten, treffen auch keine näheren Aussagen zu Ihrer Firmenkundschaft. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich hauptsächlich große Konzerne dieser Form des Bewerbermanagements bedienen.

Bestandteile des Profilings von Bewerbern
Ähnlich wie bei der Online-Recherche, z. B. in sozialen Netzwerken wie XING oder StudiVZ, wird aus vorliegendem Material ein Bewerberprofil erstellt als Zusammenfassung aus äußerem Erscheinungsbild auf dem Bewerbungsfoto, Spuren im Netz (soziale Online-Netzwerke, Foren-Kommentare, Personensuchmaschinen usw.) und den vorliegenden Unterlagen.

Die Methode ist, genau wie die Online-Recherche über Bewerber, sehr umstritten. Häufig fließen populärwissenschaftliche Kriterien ein, die vielfach nicht mit der Realität übereinstimmen müssen. Hierzu zählen beispielsweise:

  • Frauen, die hohe Schuhe tragen, sind durchsetzungsfähiger, weiblicher (und auch erotischer) als Frauen, die flache Schuhe bevorzugen. Ihnen werden wiederum eher mütterliche, weiche Eigenschaften nachgesagt.
  • Männer mit langen Haaren sind sehr unsicher, sodass sie sich deshalb hinter ihrer langen Mähne verstecken möchten.

Derartige Aussagen können auch in Illustrierten nachgelesen werden, die weder etwas mit dem Thema Bewerbungen noch mit dem Thema Psychologie zu tun haben. Umgekehrt könnte man jedoch auch in Bezug auf die o. g. Beispiele sagen, dass Frauen mit High Heels sich aufgrund ihrer Unsicherheit künstlich durch Absätze überhöhen möchten und Männer mit langen Haaren ganz bewusst eher mit bestehenden Konventionen brechen wollen.

Kritik am Profiling von Bewerbern
Die Profiler behaupten vielfach von sich, anhand der äußerlichen Kriterien wie Brille, Frisur, Kleidung etc. auf das Arbeits- und Sozialverhalten eines Kandidaten schließen zu können. Um ihre Theorien zu untermauern, werden weitere Aspekte (Online-Recherche, bisheriger beruflicher Werdegang) hinzugezogen.

Der Hauptkritikpunkt ist, dass – je nach Beurteilungsmaßstab – auch gute Bewerber als ungeeignet aussortiert werden können, weil der Profiler der Ansicht ist, der- oder diejenige ist für die jeweilige Stelle nicht geeignet, wobei die Gründe dann eher subjektiv gefärbt sein mögen.

Es ist fraglich, ob beispielsweise eine weiße Bluse in Verbindung mit hochgestecktem, dunklem Haar ein aussagefähiges Kriterium für die Eignung für eine bestimmte Stelle ist. Wie auch bei Inhalten, die bei der Online-Recherche ermittelt werden, besteht häufig ein großer Interpretationsspielraum, auch bei seriösen Inhalten, die der Bewerber ins Netz gestellt hat.

Bewerbungen: Die Trennung zwischen privat und dienstlich
Nicht nur in Bezug auf das Profiling, sondern auch in Bezug auf die Online-Recherche über Bewerber im Allgemeinen, bleibt festzuhalten: Nicht in allen Fällen kann man von der Privatperson, die im Netz zu sehen ist, auch auf die Arbeitsleistung und das im Betrieb zu erwartende Sozialverhalten schließen.

Der Fall, in dem ein Bewerber ständig in Online-Foren diffamierende oder beleidigende Kommentare gegenüber anderen Nutzern abgibt, ist da noch relativ einfach zu beurteilen, es gibt jedoch auch Inhalte, die nicht ganz so eindeutig kategorisiert werden können. Selbst wenn jemand ein privates Foto von sich im Netz stehen hat, auf dem er gut gelaunt in Jeans und T-Shirt in der Sonne steht und eine Flasche Bier in der Hand hat, kann hieraus nicht automatisch auf seine Persönlichkeit geschlossen werden.

Vielleicht ist derjenige, der in der Freizeit eher lässig ist und auch mal ein Bier aus der Flasche trinkt, unter der Woche ein gut gekleideter, penibel arbeitender Buchhalter, der im Kollegenkreis aufgrund seiner Fachkompetenz sehr geschätzt wird und für den Alkohol während der Arbeitszeit absolut tabu ist.