Case Study: Mehrkomponentenvertrag

Mehrkomponentenvertrag: Die im Exposure Draft "Revenue from Contracts with Customers" beschriebene Neuregelung zur Umsatzrealisierung nach IAS/IFRS lässt den Bilanzierenden nach IAS/IFRS keine Ruhe.

Die Veröffentlichung des finalen IFRS wird im 2. Quartal 2011 erwartet. Voraussichtlich im Jahre 2013 erfolgt die erstmalige retrospektive Anwendung des Standards. Die Case Study: Handyvertrag verdeutlicht die Problematik der Mehrkomponentenverträge.

Die Essenz eines Mehrkomponentenvertrages
Ein Mehrkomponentenvertrag ist ein Vertrag, der mehrere Leistungsverpflichtungen enthält. Nach dem analysierten Exposure Draft "Revenue from Contracts with Customers" ist die vom Kunden zu entrichtende Gegenleistung auf die einzelnen Leistungsverpflichtungen aufzuteilen. Somit ist auch zu erwarten, dass nach Inkrafttreten der neuen Rechnungslegung zur Umsatzrealisierung nach IAS/IFRS, die Anzahl der zu identifizierenden und zu bewertenden Leistungsverpflichtungen steigen wird.

Betroffene Unternehmen
Der geplante IFRS wird besonders für Unternehmen spürbar sein, die mit ihren Kunden Verträge abschließen, bei denen die Lieferung der Ware (z. B. eines Autos) mit der Erbringung weiterer Dienstleistungen (z. B. erweiterte Garantieleistungen) verknüpft wird. Es betrifft vor allem die Unternehmen aus den folgenden Branchen:

• Automobilindustrie
• Maschinenbau
• Softwareentwicklung
• Telekommunikationsindustrie.

Mehrkomponentenverträge bringen enormen Aufwand
Die aktive Auseinandersetzung mit der geplanten Regelung zur Umsatzrealisierung nach IAS/IFRS beinhaltet nicht nur ihre rein sachliche Aneignung, sondern auch drastische Umstellung der Prozesse, Systeme und Abläufe. Dadurch, dass der geplante IFRS retrospektiv anzuwenden ist, sollten praktisch schon jetzt Vorbereitungen getroffen werden, damit die Umsätze der Vergleichsperioden korrekt abgebildet sind.

Es müssen neben den klassischen statischen Abrechnungssystemen, bei denen Buchungen und Zahlungseingänge erfasst werden und die Auflösung von Forderungen und Verbindlichkeiten erfolgt, auch die Fair-Value-Bewertungssysteme geschaffen werden. In Letzteren sollte die Identifizierung und Bewertung einzelner Leistungsverpflichtungen pro Vertrag, die Schätzung bei Bewertungen von zukünftigen Leistungsverpflichtungen und die Forderungs- bzw. die Verbindlichkeitsabzinsung erfolgen.

Das heißt im Klartext: Erhöhter Arbeitsaufwand und zusätzliche Kosten sind zu erwarten.

Case Study: Handyvertrag als Mehrkomponentenvertrag
Diese Systematik kennt wahrscheinlich jeder: für 1 Euro wird dem Kunden eines Mobilfunkanbieters beim Abschluss eines 24-monatigen Mobilfunkvertrages mit der Grundgebühr von 10 Euro pro Monat ein Top Handy angeboten (Preis ohne Vertrag: 99 EUR). Doch was steckt dahinter? Wie wird das aktuell bilanziell gehandhabt, und was ändert sich im Zusammenhang mit dem ED "Revenue from Contracts with Customers"?

Derzeit ist die Abbildung des 1-Euro-Handy-Deals relativ einfach: Der Verkaufspreis von 1 Euro wird unter Berücksichtigung der Cash Restriction sofort als Umsatz erfasst. Und die Grundgebühr von 10 Euro wird in monatlichen Abständen (über 24 Monate) ebenfalls als Umsatz erfasst.

Nach dem neuen Ansatz werden zunächst die einzelnen, im Vertrag enthaltenen Leistungsverpflichtungen identifiziert. Der Verkaufspreis (241 EUR: 1 EUR + 24 Monate je 10 EUR) ist auf die einzelnen vertraglichen Leistungsverpflichtungen auf Basis ihrer relativen Fair Values aufzuteilen. Die Umsatzrealisierung erfolgt nach Erbringung der jeweiligen vertraglichen Verpflichtungen und grundsätzlich ohne Begrenzung auf bereits erhaltene Zahlungen (d.h. keine Cash Restriction mehr).

Die vertragliche Verpflichtung wird um das Fair-Value des Handys (99 EUR) reduziert und der Umsatz i.H.v. 99 EUR wird realisiert, obwohl das Unternehmen lediglich eine Zahlung von 1 EUR erhalten hat. Bei monatlichen Grundgebührenzahlungen über 10 EUR würden aufgrund des niedrigeren relativen Fair-Values der Grundgebühr lediglich Umsatzerlöse von 5,92 Euro pro Monat realisiert werden können.