Aufhebung Euro-Mindestkurs: Ist der starke Franken eine Schwäche?

Es gibt zwar kein Wundermittel gegen den starken Franken. Doch für das im Auftrag des Schweizer Staates tätige Center of Excellence für internationale Wirtschaftsförderung gibt es durchaus Wege, erfolgreich von der Schweiz aus tätig zu sein. Für das so genannte Global Enterprise Switzerland GES ist nach wie vor die Ausrichtung auf Qualität und Swiss Premium das stärkste Verkaufsargument.

Vorliegen muss aber in jedem Fall ein substantieller Mehrwert gegenüber Konkurrenzprodukten. Eine vor zwei Jahren erschienene Studie der Hochschule St. Gallen zeigt, dass sich mit dem Swissness-Effekt in vielen Fällen höhere Preise rechtfertigen lassen. 

GES-CEO Daniel Küng betont, dass auch immer mehr Schweizer KMU mit ihren Lieferanten abmachen, dass diese direkt in Euro fakturieren. Er rät zudem zu einer gesunden Diversifikation. Bereits konnten sich etliche KMU vom Klumpenrisiko Euro lösen. 2009 gingen beispielsweise noch 60 Prozent aller Exporte  in die EU, 2013 waren es noch 55 Prozent. Dabei gibt es laut Küng noch einige Länder mit beeindruckenden Wachstumsraten. 

USA: Ein wachsender Wirtschaftssektor

Noch scheuen sich viele Firmen von einem Markteintritt in den USA. Dabei sind die Amerikaner sehr konsumfreundlich und das Wirtschaftssystem ist äußerst liberal. Kommt hinzu, dass Swissmade in den USA so gefragt ist wie nie. Die Exporte von der Schweiz aus in die USA haben in den letzten zwanzig Jahren jährlich um 6,6 Prozent zugenommen und im letzten Jahr ein Volumen von 25,9 Milliarden Franken erreicht.

Zum Vergleich: 1995 lag dieser Wert noch bei 7,7 Milliarden Franken. Betrachtet man das starke Wirtschaftswachstum in den USA, so dürfte die Zahl in diesem Jahr nochmals zunehmen. Deutlich zugelegt hat vor allem der Absatz von Präzisionsinstrumenten, Uhren sowie chemisch-pharmazeutischen Produkten. Doch Zielmarkt müssen nicht unbedingt die USA sein. 

Laut GSE ist Qualität, Zuverlässigkeit und Service die Währung, die in der globalen Wirtschaft zählt. Und für die Profis ist klar, dass es selbst in Europa noch Potenzial gibt. Denn Europa ist nicht der Euro.

Gemäss Credit Suisse sieht zum Beispiel Schweden dieses und nächstes Jahr einem Wirtschaftswachstum von fast 3 Prozent entgegen. Über eine hohe Kaufkraft verfügen auch Dänemark und Norwegen. Entgegen kommt den Schweizer Firmen, dass die Ansprüche und Bedürfnisse der Konsumenten in den skandinavischen Ländern ähnlich sind wie jene der Schweizer. Laut Credit Suisse könnte zudem die norwegische Währung 2015 gegenüber dem Franken wieder um 7 Prozent aufwerten. 

Der Geheimtipp für 2015/16

Die Credit-Suisse-Spezialisten rechnen für 2015/16 in Grossbritannien mit einem deutlichen Wirtschaftswachstum von 2,7 Prozent. In den europäischen Industrieländern ist das ein absoluter Spitzenwert. Man geht von vermehrten Investitionen in die Infrastruktur aus (Verkehr, Energieeffizienz). Die Finanzexperten erwarten zudem eine Aufwertung des Pfunden gegenüber dem Schweizer Franken von gut 11 Prozent über die nächsten zwölf Monate.

Vielversprechend ist die Ausgangslage auch in Osteuropa. Das Zugpferd ist Polen, wo mit einem Wirtschaftswachstum von 3,4 Prozent gerechnet wird. Der neue Mittelstand orientiert sich in seinem Konsumverhalten immer näher an den Gewohnheiten in den westlichen Industrieländern. Das gilt es laut Daniel Küng auszunutzen. Denn wo das Portemonnaie prall gefüllt ist, dort nehmen auch die Anforderungen an Qualität, Service, Zuverlässigkeit und Präzision zu. Alles Tugenden, mit denen Schweizer Firmen punkten können. 

Der Mittelstand gewinnt an Bedeutung

Die zunehmende Bedeutung des Mittelstandes zeigt sich auch in der Türkei. Dort rechnen die Finanzspezialisten 2015 mit einer Aufwertung der heimischen Währung von 9,1 Prozent gegenüber dem Franken. Und auch die Wachstumsprognosen sind mit 3,7 Prozent für dieses Jahr und 2016 aussichtsreich.

Laut GES haben hier vor allem Unternehmen aus der MEM-, Präzisions-, Medizin- und Cleantechbranche grosse Chancen bei den konsumfreudigen Aufsteigern. Auch können sie von lukrativen Investitionsprogrammen der Regierung profitieren. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil: Die Türkei gilt als Tor in den Nahen Osten, wo weitere spannende Absatzmärkte locken.

Doch ganz so weit muss man nicht gehen. Die Lokomotive in Europa ist nach wie vor Deutschland. Und trotz einer ungünstigen Währungssituation ist das Land für Schweizer Firmen immer noch eminent wichtig. Das hängt einerseits mit dem starken privaten Konsum zusammen, anderseits aber auch mit der vorgesehenen Energiewende mit riesigen Investitionen in die Energieeffizienz. 

Diese Pluspunkte machen die Schweiz trotz der Aufhebung des Euro-Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank für ansiedlungsfreudige deutsche Unternehmer auch künftig zu einem bevorzugten Standort.

Der Zuger Wirtschaftstreuhänder Peter Schöpfer ist auf das Thema Firmengründung in der Schweiz spezialisiert weiss aus seiner fünfzehnjährigen Praxis: "Die tiefen Steuern, die politische Stabilität, die grosse Rechtssicherheit, das hervorragende Schul- und Ausbildungssystem sowie der hohe Lebensstandard sind andere starke Gründe." Allein in den letzten zehn Jahren hat er 152 deutsche Unternehmerfamilien in der Schweiz angesiedelt.