Arbeitszeugnis–Inhalt: Berufsspezifische Anforderungen (Teil 5)

Wer ein Arbeitszeugnis erhält, der sollte unbedingt darauf achten, dass auch die für seinen Beruf typischen berufsspezifischen Anforderungen drin stehen. Das BAG hat sich mit seinem Urteil vom 12.08.2008, 9 AZR 632/07 zu den berufsspezifischen Tätigkeits- und Leistungsaspekten eines Zeitungsredakteurs der früheren Rechtsprechung des LAG Hamm angeschlossen (Urteil vom 20.06.2006, 19 Sa 135/06).

Durch diese Urteile ist unmissverständlich geregelt, dass Aussagen zu berufsspezifischen Merkmalen, welche die Tätigkeit und die zu erwartenden Leistungen beschreiben, unbedingt in ein qualifiziertes Arbeitszeugnis gehören.

Was heißt berufsspezifische Anforderung für die Formulierung im Arbeitszeugnis?
Es gibt eine ganze Reihe von Aussagen, die in jedem Zeugnis vorkommen, die allgemeingültig sind und zu den Grundinformationen zählen. Darüber hinaus muss besonders auf die berufsspezifischen und unternehmensbezogenen Anforderungen geachtet werden. So variieren für scheinbar vergleichbare Positionen und Tätigkeiten die berufsspezifischen Anforderungen von Unternehmen zu Unternehmen, da die unternehmensbezogenen Anforderungen unterschiedlich definiert sind und anders ausgeübt werden.

berufsspezifisch heißt: Spezielles Fachwissen samt Aktualität und Anwendbarkeit, besondere Qualifikationen, Sprachkenntnisse und damit Bezug zur Internationalität der Position, Ausdrucksvermögen, Verhandlungsgeschick u. a.

unternehmensbezogen heißt: Wie ist die Unternehmenskultur, nationale o. internationale Orientierung, Dienstleistungsdarstellung (Marktstellung) u. a.

Besonders gut lässt sich das am Beispiel von IT-Tätigkeiten verdeutlichen:

  • SAP-Spezialisten unterscheiden sich durch die Module, mit denen sie gehen, die sie also beherrschen,
  • Softwareentwickler unterscheiden sich durch ihre Arbeit mit Tools und Entwicklungsumgebungen oder
  • Datenbankmanager, die sich durch die Weiterentwicklung eines Managementsystems oder die Verantwortung für Oracle-Datenbanken unter einem bestimmten Betriebssystem differenzieren lassen.

Eine Leistungsbeurteilung kann als Soll-Ist-Vergleich gegenüber gestellt werden, was besonders zielgerichtet und aussagekräftig wirkt:

  • Soll = charakteristische und unternehmensbezogene Anforderungen an den Arbeitnehmer und
  • Ist = seine tatsächlichen Fähigkeiten und erbrachten Leistungen im Unternehmen

Aus dieser Herangehensweise resultiert ganz automatisch, dass berufsspezifische Anforderungen mit den für Berufe entsprechenden Prädikaten versehen und die Leistungen beschrieben werden. Für die passenden Informationen kann man sich gut an den Berufsbezeichnungen im BERUFENET der Bundesagentur für Arbeit orientieren.  

Beispiel: Film- und Videoeditor/in
systematisches Denken und planvolles Vorgehen, technisches Wissen (digitale Montage), künstlerisch-gestalterisches Talent, räumliches Vorstellungsvermögen, Wahrnehmungs- und Bearbeitungsgeschwindigkeit, Auge-Hand-Koordination, musikalische Fähigkeiten und Textverständnis; außerdem gehören zu diesem Berufsbild noch Sorgfalt, Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Urteilsvermögen

Eine ebenfalls qualifizierte Quelle für berufsspezifische Merkmale, allerdings nur beispielhaft ausgesuchter Berufe ist Jobworld.

Wann werden berufsspezifische Anforderungen in ein Arbeitszeugnis aufgenommen?
Nicht jede Tätigkeit braucht ausführlich mit berufsspezifischen Anforderungen qualifiziert werden, wenn diese so genannte Selbstverständlichkeiten für den Tätigkeitskreis des Arbeitnehmers darstellen. Betont man bei einer Sekretärin, dass sie besonders gut telefonieren kann, käme dies einer vernichtenden Negativaussage gleich.  

Wenn berufsspezifische Anforderungen im Arbeitszeugnis fehlen
kann das dem Berufsbild entsprechend, für welches der Zeugnisinhaber beurteilt wurde, negativ interpretiert werden.

Werden die für einzelne Berufsgruppen charakteristischen und berufstypischen Merkmale nicht erwähnt, obwohl diese Aussagen üblicherweise erwartet werden und damit auch üblich sind, weil sie zu den besonders qualifizierenden Aussagen dieses Berufsbildes gehören (Leerstelle), wird interpretiert, dass der Zeugnisinhaber für seinen Beruf nicht ausreichend qualifiziert sei. Dahinter kann sich aber auch eine Unzufriedenheit der zeugnisausstellenden Arbeitgebers verstecken, die so ausgedrückt (also weggelassen) als verbotener Geheimcode gilt. (vgl. die o. g. Urteile)  

Wer Zeugnisse formuliert sollte genau unterscheiden, was zum allgemeinen Brauch gilt und im Zeugnis unbedingt erwähnt werden muss und was zu den Selbstverständlichkeiten zählt und damit keinen Mangel darstellt, wenn nicht in einem sonst positiven Zeugnis erwähnt.

Allerdings keine Regel ohne Ausnahme: Bei einer Verkäuferin könnte man meinen, dass Ehrlichkeit zu den üblichen berufsspezifischen Anforderungen gehört. Wird sie aber im Arbeitszeugnis nicht gewürdigt, dann steht es schlecht mit der Ehrlichkeit, so die Interpretation.