In der betrieblichen Praxis kommt es immer wieder vor, dass Arbeitnehmer eine Anzeige gegen den Arbeitgeber erstatten. Das können sowohl Strafanzeigen als auch Mitteilungen bei Ordnungsbehörden sein. Als Arbeitgeber müssen Sie wissen, wie Sie in einem solchen Fall reagieren dürfen und wobei Sie vorsichtig sein sollten.
Ihre Arbeitnehmer sind nicht schutzlos. Ihnen steht mit § 612a BGB ein Maßregelungsverbot zur Seite. Danach dürfen Sie als Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausgeübt hat. Das ist im Moment der einzige gesetzliche Schutz, auf den sich ein Arbeitnehmer berufen kann, wenn er eine Anzeige gegen den Arbeitgeber erstattet hat.
Dabei können die Gründe für eine Anzeige gegen den Arbeitgeber vielfältig sein. Einige Beispiele dafür:
- Zur Anzeige gegen den Arbeitgeber kommt es, weil dieser gegen Vorschriften der Lebensmittelhygiene oder Lebensmittelkennzeichnung verstößt.
- Ein Mitarbeiter entscheidet sich für eine Anzeige gegen den Arbeitgeber, weil dieser durch eine Videoüberwachung in die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter unzulässig eingreift.
- Ein Mitarbeiter in einer Pflegeeinrichtung greift zu einer Anzeige gegen den Arbeitgeber, weil Pflegestandards nicht eingehalten werden und es dadurch zu Gefährdungen oder gar Verletzungen der Pflegebedürftigen kommt.
- Ein Kraftfahrer erstattet Anzeige gegen den Arbeitgeber, weil dieser seine Mitarbeiter dazu anhält, die gesetzlichen Lenkzeiten massiv und regelmäßig zu überschreiten.
Der bisherige Schutz durch § 612a BGB wird teilweise für nicht ausreichend gehalten. Arbeitnehmer können nicht sicher erkennen, ob Anzeigen gegen den Arbeitgeber bei Behörden gleichzeitig eine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung sind. Diese könnten aber mit Sanktionsmaßnahmen wie Kündigungen und Abmahnungen geahndet werden.
Uneinheitliche Rechtsprechung zur Anzeige gegen den Arbeitgeber
Die bisherige Rechtsprechung zu Anzeigen gegen den Arbeitgeber ist uneinheitlich. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Juli 2001 entschieden, dass eine Anzeige gegen den Arbeitgeber als Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte kein Grund für eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses sein kann. Dies gilt jedenfalls solange, wie nicht wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben zu der Anzeige gegen den Arbeitgeber führen.
Etwas anders sieht dies allerdings das Bundesarbeitsgericht. In seiner Entscheidung vom 3. Juli 2003 (Az.: 2 AZR 235/06) fragt es danach, ob neben den staatsbürgerlichen Motiven auch andere Gründe zur Anzeige gegen den Arbeitgeber geführt haben.
Das kann zum Beispiel eine unverhältnismäßige Reaktion auf ein Verhalten des Arbeitgebers (etwa Ablehnung eines Urlaubswunsches) sein. In einem solchen Fall soll eine Kündigung als Reaktion auf die Anzeige gegen den Arbeitgeber doch möglich sein.
Was bedeutet das für Sie?
Auch die Rechtsprechung der Instanzgerichte dazu ist uneinheitlich. Bevor Sie bei einer Anzeige gegen den Arbeitgeber gleich zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen greifen, sollten Sie sich auf jeden Fall rechtlich beraten lassen. Denn die Gefahr, dass Ihre Kündigung oder Abmahnung ein Verstoß gegen § 612a BGB darstellt, ist groß.
Auch der Hinweis auf die oben wiedergegebene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gibt nur eine scheinbare Sicherheit für Sie. Denn im Prozess müssen Sie nachweisen, dass tatsächlich auch andere Gründe zu der Anzeige gegen den Arbeitgeber geführt haben. Das wird in der Praxis schwierig sein.
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