Abwarten beseitigt nicht den Schadensersatzanspruch wegen Mobbing

Je länger ein Mobbing-Vorfall her ist, desto schwieriger ist es, zu prüfen, ob Schadensersatzansprüche wegen Mobbing gegen den Arbeitgeber bestehen. Grundsätzlich verjähren solche Schadensersatzansprüche nach drei Jahren, begonnen mit dem Jahresende des Jahres, in dem die Ansprüche entstanden sind. Evtl. gehen solche Ansprüche auch vorher schon unter. Die Voraussetzungen hat das BAG definiert.

Grundsätzlich kann ein Arbeitnehmer Schadensersatzansprüche gegen seinen Arbeitgeber haben, wenn dieser ihn entweder selbst gemobbt hat oder aber ihn nicht vor Mobbing durch Kollegen und Vorgesetzte geschützt hat. Allerdings können solche Ansprüche nicht unbegrenzt lange geltend gemacht werden. Es gelten die gesetzlichen Verjährungsregelungen. (Spätestens) drei Jahre nach dem Ende des Jahres, in dem die angeblichen Mobbingvorfälle stattgefunden haben, sind solche Schadensersatzansprüche verjährt.

Unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann es einem Arbeitnehmer aber auch schon früher verwehrt sein, Schadensersatz zu fordern. Der Jurist spricht dann von einer sogenannten Verwirkung. Das BAG hat sich in seiner Entscheidung vom 11. Dezember 2014 (Aktenzeichen 8 AZR 838/13) mit der Frage der Verwirkung von solchen Schadenersatzansprüchen zu beschäftigen gehabt. Dabei hat es eine Entscheidung des LAG Nürnberg aufgehoben. Die Nürnberger Richter hatten in einem Fall angenommen, dass Schadensersatzansprüche bereits vor Ablauf der Verjährungsfristen verwirkt waren.

Was war geschehen?

Ein Mitarbeiter forderte von früheren Vorgesetzten Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 10.000 €. Er begründete das damit, dass er durch den Vorgesetzten in den Jahren 2006 bis 2008 systematisch herabgewürdigt und schikaniert worden sei. Dies habe zur Arbeitsunfähigkeit geführt. In der Tat wies der Kläger erhebliche Fehlzeiten auf. Im Jahr 2007 war er an 52 Tagen arbeitsunfähig, 2008 waren es bereits 216 Tage und 2009 war er durchgängig bis August arbeitsunfähig. Der Kläger trug selbst vor, dass die letzte Mobbinghandlung im Februar 2008 stattgefunden haben soll.

Erst Ende Dezember 2010 erhob er Klage auf Schadensersatz. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab. Die Richter am LAG Nürnberg begründeten das damit, dass ein möglicher Schadensersatzanspruch verwirkt sei.

Strenge Voraussetzungen für die Verwirkung

Das sahen die Richter am Bundesarbeitsgericht anders. Die Voraussetzungen für eine Verwirkung lagen nach ihrer Ansicht nicht vor. Voraussetzung für Verwirkung sind insbesondere zwei Aspekte:

  • ein Recht wird über längere Zeit nicht ausgeübt (hier die Forderung auf Schmerzensgeld)
  • der Anspruchsgegner darf aufgrund besonderer Umstände darauf vertrauen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden

Alleine, dass ein Arbeitnehmer nicht aktiv wird, reicht für die Verwirkung nicht aus. Der Auffassung der Nürnberger Landesarbeitsrichter, der Vorgesetzte habe darauf vertrauen können, dass er mehr als zwei Jahre nach dem letzten angeblichen Mobbinghandlungen nicht mehr auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, erteilten die BAG-Richter eine Absage.

Das hätte man nur dann annehmen können, wenn der Arbeitnehmer aufgrund zusätzlicher besonderer Umstände verpflichtet gewesen wäre, die Schadensersatzforderung zeitnah zu erheben. Dafür sahen die Richter keinerlei Anhaltspunkte. Alleine das Abwarten reiche jedenfalls nicht. Andernfalls würde durch die nicht gesetzlich geregelte Verwirkung die gesetzlich geregelte Verjährung unterlaufen.

Praxistipp: Es gelingt nur in wenigen Fällen, einen Anspruch wegen Verwirkung zu beseitigen. Erforderlich ist in jedem Fall, dass der Anspruchsteller (hier: der Arbeitnehmer) beim angeblichen Schuldner den Eindruck erweckt hat, er werde keine Forderung erheben. Das kann durch schriftliche Äußerungen passieren, auch mündliche Aussagen sind insoweit denkbar. Prüfen Sie daher sehr sorgfältig, ob Sie eine solche Äußerung nachweisen können. Geeignet sind schriftliche Unterlagen, Zeugenaussagen über den Gesprächsverlauf usw. Ohne solche Nachweise wird die Argumentation, ein Anspruch sei verwirkt, in der Regel nicht haltbar sein.