So verhalten Sie sich richtig bei Elternbeschwerden

Die Sekretärin leitet ein Telefonat mit einem empörten Vater an Sie weiter. Dessen erster Satz ist eine lautstarke Drohung mit dem Anwalt. Dann schildert er völlig fassungslos und konfus, wie sehr sein Kind unter dem Psychoterror Ihres Lehrers zu leiden habe. Er sei entsetzt, dass Sie als Schulleiter nichts dagegen unternehmen, obwohl Sie doch von der Inkompetenz dieses Kollegen wüssten.

1. Zügeln Sie Ihren "inneren Haufen"

Bei solch einem Beschuss von Vorwürfen und Anklagen ist es nur all zu menschlich, dass sich auch in Ihnen Emotionen regen. Schultz von Thun, einer der bedeutendsten Kommunikationspsychologen, bezeichnet diese inneren Strebungen als "innere Stimmen". Sie melden sich durchaus nicht einheitlich zu Wort, sondern richten sich meist gegeneinander und verhindern als "innerer Haufen" eine sachliche Reaktion.

2. Halten Sie Ihren inneren Kampfhahn zurück

Am lautesten ist sicher Ihr "innerer Kampfhahn" zu hören, der nach einem Angriff mit einem sofortigen Gegenangriff reagieren will. Er möchte Sie sagen lassen: "Erziehen Sie Ihr Kind erst mal richtig; dann gibt es in der Schule keine Klagen. " Mit dieser Reaktion würden Sie die Erregung des Vaters geradezu anfachen: Er fühlt sich mit seinem Anliegen nicht ernst genommen und hat den Eindruck: "Bei diesem Schulleiter kommt mein Anliegen gar nicht an. Der steht von Haus aus auf der Seite des Lehrers. Ein weiteres Gespräch können wir uns sparen."

3. Den inneren Pestalozzi kritisch betrachten

Wenn sie schon öfter ähnliche Vorkommnisse über den Kollegen hören mussten, lagert in Ihrem Gedächtnis schon ein festgefügtes negatives Bild über ihn. In diesem Fall wird sich auch ihr "innerer Pestalozzi" melden. Er wird die Verteidigung des Kindes übernehmen wollen: "Ich werde den Kollegen sofort zur Rede stellen und dafür sorgen, dass das nicht mehr vorkommt! "
Mit dieser oder einer ähnlichen Reaktion würden Sie zwar die Wut des Vaters eindämmen, doch der Situation werden Sie damit nicht gerecht. Denn auf diese Weise haben Sie sich für eine Partei stark gemacht und die andere bereits vorverurteilt.

4. Einigen Sie Ihr "inneres Team"

So verständlich die Antworten Ihrer inneren Stimmen auch wären – für Sie gilt es, sie erst einmal in die Schranken zu weisen. Stellen Sie den "inneren Profi" in den Vordergrund, der sich als Führungskraft neutral und sachlich verhält. Bedenken Sie: Hinter all der Aufregung suchen die Eltern in erster Linie Hilfe für ihr Kind.

5. Schaffen Sie Vertrauen durch sachliche Fragen

Zeigen Sie deshalb Verständnis für die Situation der Eltern: "Sie sind sehr besorgt um das Wohl Ihres Kindes. Lassen Sie uns gemeinsam überlegen, was wir hier tun können." Nehmen Sie die Sichtweise der Eltern erst einmal nur zur Kenntnis. Regen Sie das Nachdenken der Eltern durch weitere Fragen und Impulse an. Lassen Sie sich den oder die Vorfälle erläutern, worauf die Beschwerde fußt. Ihre Rolle ist in erster Linie die des Zuhörers und Impulsgebers. So verschaffen Sie den Eltern auf angemessene Weise Gehör. Stellen Sie dann in Aussicht, dass Sie sich umgehend mit dem Lehrer in Verbindung setzen werden, um seine Sichtweise zu hören. Bieten Sie für einen späteren Zeitpunkt ein Dreiergespräch an, bei dem Sie als Moderator fungieren.

6. Führen Sie ein Gespräch mit Lehrer und Eltern 

Setzen Sie den betroffenen Kollegen von der Beschwerde in Kenntnis. Dies sollte keinesfalls im Beisein von Kollegen oder gar Schülern geschehen. Lassen Sie sich seine Sichtweise schildern und empfehlen Sie eine gründliche Vorbereitung auf das Gespräch. Stellen Sie beim Dreiergespräch die Entwicklung des Kindes in den Mittelpunkt.

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