Prävention gegen sexuelle Gewalt verbessern

Die Gefahr sexueller Übergriffe in pädagogischen Institutionen ist noch längst nicht gebannt. Das belegt eine im Juli 2011 veröffentlichte Umfrage des Deutschen Jugendinstituts (DJI) in Schulen, Internaten und Heimen. Doch welche Wege führen zu einer verbesserten Interventions- und Präventionspraxis gegen sexuelle Gewalt?

Die relativ hohe Zahl der dokumentierten Verdachtsfälle, mit denen sich die vom DJI befragten Schulen, Heime und Internate in den vergangenen Jahren befassen mussten, signalisiert einen erheblichen Handlungsbedarf. Doch in der öffentlichen Debatte über effektivere Maßnahmen zur Intervention und Prävention gegen sexuelle Gewalt in pädagogischen Institutionen wird die besorgniserregende Tatsache vielfach ausgespart, dass es sich bei den Beschuldigten heute größtenteils um Mitschüler und Mitbewohner der fraglichen Opfer handelt.

Ihre Zahl liegt etwa um das Vierfache über derjenigen der fraglich übergriffigen Erwachsenen. Auf diese grundlegende Veränderung der Situation haben die Experten jedoch offensichtlich noch keine schlüssigen Antworten gefunden. Das Täterbild scheint aus ideologischen Gründen noch immer auf lüsterne Pädagogen, Geistliche, Sporttrainer und Jugendleiter fixiert zu sein. Dementsprechend konzentrieren sich die Vorschläge auf die Stärkung der Position von Kindern und Jugendlichen in den Einrichtungen, auf interne Kontrollgremien und ein Netzwerk von Ombudsstellen. 

Kinder und Jugendliche sind zunehmend Täter
Im Gegensatz hierzu wären die Ergebnisse des DJI-Reports allerdings eher dazu angetan, die Diskussion von der sexuellen Gewalt gegen Kinder und Jugendliche auf diejenige unter Kindern und Jugendlichen zu verlagern. Und auch im Hinblick auf ein weiteres Ergebnis der DJI-Studie stellt die "Stärkung der Betroffenenrechte", wie es in schönstem Jugendamts-Deutsch heißt, nicht gerade ein plausibles Konzept zur Missbrauchsprophylaxe dar.

Erwachsene immer mehr in der Opferrolle
In demselben Maße nämlich, wie Kinder und Jugendliche zunehmend als fragliche Sexualstraftäter in Erscheinung treten, scheinen Erwachsene in die Opferrolle zu geraten. Dies zwar nicht in erster Linie im Sinne offener sexueller Gewalt, wohl aber in Gestalt anderer Spielarten aggressiver Angriffe. 

Hierzu zählen mit stark wachsender Tendenz auch gezielt falsche Anschuldigungen gegen missliebige Pädagogen, die als verschobene Aggressionshandlungen gelten und deren Urheber sich der sexuellen Thematik bevorzugt aus dem Grund bedienen, weil sich hier das größtmögliche Empörungspotenzial oder der größtmögliche Aufmerksamkeitseffekt mobilisieren lässt und so den zu Unrecht Beschuldigten der größtmögliche Schaden entsteht. 

Die Brisanz dieser Entwicklung lässt sich an der hohen Zahl von Fällen (Schulen 80 Prozent, Internate und Heime 67 Prozent) ablesen, in denen laut Umfragestatistik des DJI einschlägige Vorwürfe gegen Lehrer und Erzieher nicht zu arbeits- oder strafrechtlichen Sanktionen geführt haben, weil die fraglichen Taten letztlich nicht aufklärbar waren, sich die Beschuldigungen auf strafrechtlich nur schwer fassbare Ereignisse bezogen oder die Ermittlungen noch andauerten. 

Wie können Kinder und Jugendliche geschützt werden?
Wer Kinder und Jugendliche vor sexueller Gewalt bewahren will, sollte sich von blindem Aktionismus und ideologischen Denkschablonen, die die aktuelle Präventionsrhetorik derzeit beherrschen, weder leiten noch beeindrucken lassen.

Und wer aktuell vielleicht in Erwägung zieht, sein Kind fremder Obhut anzuvertrauen, muss wissen, dass "geschlossene Institutionen" wie Heime und Internate nach wie vor eigentümlichen Gesetzmäßigkeiten unterliegen. Einen absoluten Schutz vor sexuellen Verirrungen Einzelner gibt es ebensowenig wie die Patentlösung gegen Mobbing oder Drogenkonsum. Ein Milieuwechsel ist also immer mit einem gewissen Risiko verbunden.