Wie viel Grammatik verträgt Ihr Sprachkurs?

Kennen Sie den Anspruch vieler Kursteilnehmer, gleich sprechen können zu wollen und nicht so viel Wert auf Grammatik zu legen? Das kann für den Kursleiter ziemlich herausfordernd werden. Lesen Sie, wie es gelingen kann, jedem Sprachkursteilnehmer genau so viel grammatisches Rüstzeug mitzugeben, um in der Sprache zu "überleben".

Weder Überfordern, noch Abschrecken

In diesem Zusammenhang geht es eher um die lernungewohnten oder bildungsferneren Lerner, die durch grammatische Terminologie nicht so einfach zu erreichen sind. Sie wollen weder überfordern noch abschrecken und müssen Ihre hohen sprachtheoretischen Ansprüche auf die unwissenschaftlichen Anwenderbedürfnisse der Teilnehmer herunterbrechen.

Da die meisten Bedürfnisse im sprecherischen Bereich liegen, gilt es als Kursleiter, einen Navigationskurs zu entwickeln, der die Grammatik nicht als Hauptthema betrachtet, sondern vielmehr als Überlebensanker im Dienst der kommunikativen Aufgabenstellungen. So wenig wie möglich – so viel wie nötig!

Hierbei müssen Sie zuerst einmal herausfinden, bis zu welchem Punkt  strukturgebundenes – also grammatisches –  Lernen den Spracherwerb bei bildungsungewohnten Lernern erleichtert, und ab wo es dem Lernenden eher im Weg steht und wie viel (grammatische) Terminologie Sie Ihren Lernern daher zumuten können.

Was genau ist zum Spracherwerb absolut überlebenswichtig?

Misten Sie aus: Müssen Sie wirklich alle lateinischen Begriffe einführen oder reicht es, wenn Sie Oberbegriffe einführen, die zur Einsicht für bestimmte Regelhaftigkeiten unerlässlich sind?

Es wird vermutlich schwer sein, ohne die Begrifflichkeit "Verb" durch einen gesamten Sprachkurs zu navigieren, nur um die Schüler zu schonen, aber es fragt sich, ob man die Teilnehmer mit allen Varianten der adverbialen Nebensätze vertraut machen muss, damit sie letztendlich auch das letzte Komma dudenkonform korrekt setzen können.

Klären Sie den kommunikativen Mehrwert vor jedem Einsatz von grammatischem Unterbau und verzichten Sie darauf, Ihr ganzes Wissen unabhängig vom Anwendernutzen "abzuladen". Führen Sie behutsam an Grammatikstrukturen heran, und vergessen Sie dabei nie, dass Grammatik für Lernwillige aber Lernungewohnte mit teilweise oder ganz fehlendem Vorwissen etwas nicht Selbstverständliches ist, sondern ein abstraktes Ding.

Bemühen Sie sich vielmehr, auf den Nutzen von Grammatik hinzuweisen, machen Sie Regeln schmackhaft aber bieten Sie nichts an, worauf man genauso gut verzichten könnte, wenn man einfach eine Sprache "nur sprechen will".

Sie haben Ihre Muttersprache auch ohne Grammatik-Terminologie erlernt

Vergegenwärtigen Sie sich immer auch einmal wieder, dass Sie ohne Grammatikterminologie Ihre Muttersprache erlernt haben und versuchen Sie, aus diesem ungelenkten Spracherwerb so viel wie möglich an Lernstrategien abzuleiten.  Aus dieser Richtung kommend, kann es auch gelingen, so genannte "grammatikresistente" Lerner (die aber immerhin eine Sprache erfolgreich erlernt haben) an entsprechender Stelle abzuholen.