Beschäftigtendatenschutz: Das Eckpunktepapier vom Bundesinnenministerium

Im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien wurde bereits im Oktober 2009 festgelegt, den Beschäftigtendatenschutz explizit zu regeln. Nun hat das Bundesinnenministerium hierzu ein Eckpunktepapier vorgelegt. Seine relevanten Inhalte erfahren Sie hier.

Welche datenschutzrelevanten Einschränkungen erfährt das Fragerecht des Arbeitgebers im Vorstellungsgespräch? Wann handelt es sich um eine unzulässige Bespitzelung durch den Chef bei Videoaufnahmen am Arbeitsplatz? Welche Daten darf der Arbeitgeber bei gesundheitlichen Untersuchungen erfahren? Was passiert mit den Daten des Arbeitnehmers mit Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis? 

Diese Fragen diskutiert das Bundesinnenministerium derzeit in der Endphase eines Gesetzesentwurfs zur Neuregelung des Beschäftigtendatenschutzes.

Die geplanten Neuregelungen betreffen sowohl Bewerber als auch Beschäftigte und ehemalige Beschäftigte. Die Regelungen haben das Ziel, die bestehenden Schutzlücken der vorhandenen Regelungen im Bundesdatenschutzgesetz, Betriebsverfassungsgesetz, Telekommunikationsgesetz oder dem Telemediengesetz zu schließen und damit Rechtssicherheit für Betroffene zu gewährleisten.

Bisher seien zwar viele Fragen des Beschäftigtendatenschutzes durch einzelfallbezogene Rechtsprechung der Arbeitsgerichte beantwortet worden, diese Rechtsprechung sei jedoch oft uneinheitlich und lasse viele praxisrelevante Aspekte offen.

Die geplanten Neuregelungen vereinheitlichen somit den Beschäftigtendatenschutz. Er soll nach dem Willen der Regierungsparteien in einem eigenen Kapitel des Bundesdatenschutzgesetzes ausgestaltet werden.

Folgende Überlegungen hat das Bundesinnenministerium zum Gegenstand seines Eckpunktepapiers gemacht:

Beschäftigtendatenschutz: Datenerhebung im Einstellungsverfahren / Zulässige Fragen im Vorstellungsgespräch
Der Beschäftigtendatenschutz soll bereits im Einstellungsverfahren gelten. Betroffen ist das Fragerecht des Arbeitsgebers im Bewerbungsprozess. Geplant ist, dass das Fragerecht des Arbeitgebers hinsichtlich der Beschäftigtendaten gesetzlich geregelt wird. Der Arbeitgeber soll nur die relevanten Daten des Bewerbers erfragen dürfen, die er benötigt, um die Eignung des Bewerbers für die in Frage kommende Tätigkeit festzustellen.

Beschäftigtendatenschutz: Gesundheitliche Untersuchungen
Nach dem Willen des Ministeriums sollen gesundheitliche Untersuchungen oder Prüfungen nur dann zulässig sein, wenn sie erforderlich sind, um die Eignung für die konkret vorgesehene Tätigkeit festzustellen. Hierbei ist eine Einwilligung des Betroffenen zwingend. Die Untersuchungen sollen zudem nur nach den Regeln der Fachkunde durchgeführt werden dürfen.

Der Arbeitgeber darf nur davon erfahren, ob der Betroffene für die zu besetzende Stelle geeignet ist. Die genaue ärztliche Diagnose im Einzelnen hingegen geht den Arbeitgeber nichts an. Eine Verarbeitung von Daten nicht dienstrelevanter Gesundheitszustände des Beschäftigten soll durch die Neuregelungen ausgeschlossen werden.

Beschäftigtendatenschutz: Korruptionsbekämpfung/Durchsetzung von Compliance-Anforderungen
Um Korruption zu bekämpfen und Compliance-Anforderungen durchzusetzen, soll eine klare gesetzliche Grundlage geschaffen werden. Der Arbeitgeber soll grundsätzlich vorhandene Beschäftigtendaten verwenden dürfen, soweit es erforderlich und verhältnismäßig ist, um die Begehung von Vertragsverletzungen zu seinen Lasten, Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten durch den Beschäftigten im Beschäftigungsverhältnis zu verhindern oder aufzudecken.

Nur bei konkretem Verdacht gegenüber einem Beschäftigten, soll der Arbeitgeber zusätzliche Daten unter strengeren Voraussetzungen erheben dürfen.

Erklärung: Unter Compliance versteht man – vereinfacht ausgedrückt – alle Regelungen und Maßnahmen, die Unternehmen ergreifen, um sich rechtskonform zu verhalten. Dazu gehört es auch, das gesetzeskonforme Verhalten der Mitarbeiter sicherzustellen und arbeitsrechtliche Sanktionen bei Verstößen gegen geltendes Recht zu verhängen.

Beschäftigtendatenschutz: Videoüberwachung am Arbeitsplatz
Die Videoüberwachung von nicht öffentlich zugänglichen Betriebstätten soll ganz allgemein nur zulässig sein, soweit sie zur Wahrung wichtiger betrieblicher Interessen erforderlich und verhältnismäßig ist. Nur unter sehr erschwerten Voraussetzungen soll auch eine heimliche Videoüberwachung des Beschäftigten möglich sein, etwa bei konkreten Verdachtsfällen.

Hingegen soll die offene Videoüberwachung der Eingänge eines Betriebsgeländes (Zutrittskontrolle) oder eines Verteilzentrums für Wertbriefe (Schutz des Eigentums) erlaubt sein. Die Videoüberwachung von Betriebsräumen, die überwiegend der privaten Lebensgestaltung (Bereitschaftsdienstzimmer eines Arztes) dienen, soll unterbunden werden.

Beschäftigtendatenschutz: Ortungssysteme wie z. B. GPS
Die Erhebung von Beschäftigtendaten durch Ortungssysteme wie etwa GPS soll nur während der Arbeits- und Bereitschaftszeiten zum Zwecke der Sicherheit des Beschäftigten oder zur Koordinierung des Einsatzes des Beschäftigten zugelassen werden. Die Ortung soll zudem nur zulässig sein, wenn schutzwürdige Interessen des Beschäftigten am Ausschluss der Datenerhebung nicht überwiegen.

Beschäftigtendatenschutz: Biometrische Verfahren   
Biometrische Verfahren sollen nur erhoben und verwendet werden dürfen, soweit es aus betrieblichen Gründen zu Autorisierungs- und Authentifikationszwecken erforderlich ist und keine schutzwürdigen Belange des Betroffenen entgegenstehen. Biometrische Verfahren können in Zugangskontrollsystemen der Unternehmen genutzt werden dürfen, um nur berechtigten Beschäftigten Einlass zu gewähren.   

Erklärung: In der Informationstechnologie bezeichnet Biometrie – vereinfacht ausgedrückt – das Erkennen von Benutzern aufgrund ihrer persönlichen Eigenschaften. Die Grundlage zum computergestützten Erkennen von Menschen bilden etwa körperliche oder verhaltenstypische Merkmale wie Fingerabdrücke, Augen, Gesicht, aber auch Körpergeruch, Stimme oder die typischen Körperbewegungen eines Menschen.   

Beschäftigtendatenschutz: Nutzung von Telefon, E-Mail und Internet
Zur Gewährleistung des ordnungsgemäßen technischen Betriebs, zu Abrechnungszwecken sowie zu Zwecken der Korruptionsbekämpfung/Compliance soll der Arbeitgeber die Nutzung von Telekommunikationsdiensten und Telemedien im erforderlichen Maß kontrollieren dürfen, er hat jedoch die schutzwürdigen Interessen des Beschäftigten zu beachten.

Insbesondere die Inhalte von Telefonaten sollen einem besonderen Schutz unterliegen. Daneben kommt es für die Internetnutzung entscheidend darauf an, zu welchem Zweck sie durch den Arbeitgeber erlaubt worden ist. Ist die Nutzung des Internets etwa nur zu beruflichen Zwecken erlaubt, soll der Arbeitgeber das Nutzungsverhalten des Beschäftigten ohne Anlass nur stichprobenhaft überprüfen dürfen, um etwa festzustellen, ob verbotene Inhalte aufgerufen werden.

Beschäftigtendatenschutz: Kollektivrechtliche Vereinbarungen / Mitbestimmungsrechte der Interessenvertretungen (z. B. Betriebsrat)
Betriebs- und Dienstvereinbarungen oder Tarifverträge sollen die Datenerhebung und Datenverwendung im Beschäftigtenverhältnis wie bisher im gesetzlichen Rahmen eigenständig regeln dürfen. Bisherige Mitbestimmungsrechte der Interessenvertretungen bei Verfahren zur Verhaltens- und Leistungskontrolle von Mitarbeitern sollen bestehen bleiben.

Beschäftigtendatenschutz: Individuelle Einwilligung des Beschäftigten
Die Zulässigkeit der individuellen Einwilligung des Beschäftigten in die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung seiner personenbezogenen Daten soll auf ausdrücklich geregelte Fälle beschränkt werden.  

Beschäftigtendatenschutz: Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis
Für Pflichten, die sich aus der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses (buchhalterische oder steuerliche Nachweiszwecke) ergeben, soll der Arbeitgeber Beschäftigtendaten auch erheben, verarbeiten oder nutzen dürfen, soweit deren Kenntnis für ihn erforderlich ist. Entfällt der Zweck, für den sie gespeichert wurden, so sind die Daten zu löschen.

Fazit zum Beschäftigtendatenschutz
Vor dem Hintergrund der Überwachungs- und Bespitzelungsvorfälle bekannter Unternehmen sollen betroffene Beschäftigte nun auf einen erhöhten Datenschutz hoffen dürfen. Die vagen Vorgaben des Eckpunktepapiers lassen jedoch noch viele Fragen gerade im Hinblick auf das Einstellungsverfahren und die Compliance-Anforderungen offen. Es bleibt daher abzuwarten, wie das geplante Gesetz im Einzelnen ausgestaltet wird und ob es tatsächlich zu einer Verbesserung der Rechtssicherheit im Kampf gegen Korruption und Vertrauensverlust führen wird.

Quelle: Eckpunktepapier des Bundesministeriums des Innern vom 31. März 2010, Informationen des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages zum Begriff Biometrie