Virtuelle Teams – Kennen Sie die Machtfaktoren?

Machtfaktor Sprache

Welche Sprache ist die Arbeitssprache, und wie gut wird diese von den einzelnen Teammitgliedern gesprochen? Meist ist die Arbeitssprache in internationalen Teams Englisch. Auch wenn einige der Teammitglieder Englisch nicht ganz so perfekt sprechen, sind deren Fachkenntnisse trotzdem weiterhin sehr wertvoll. Es ist davon auszugehen, dass diese Teammitglieder sich weniger einbringen können – besonders, wenn es um neue Ideen und Optimierungen geht. Das Risiko ist groß, dass sie ins Hintertreffen geraten und so wertvolle Expertise im Teampool verloren geht.

Natürlich ist es sinnvoll, in diesem Zuge dem Teammitglied diskret Englischunterricht anzuraten und entsprechendes Budget zur Verfügung zu stellen. Doch meist wird eine Sprache nicht von heute auf morgen perfekt beherrscht. In der Zwischenzeit müssen Sie als Teamleiter darauf achten, dass die Teammitglieder mit schlechteren Englischkenntnissen auch Gehör finden und in zusätzlichen Einzelgesprächen sicherstellen, dass keine Expertise verlorengeht.

Selbst wenn alle im Team vermeintlich gut Englisch sprechen, so gibt es vielleicht ein paar Teammitglieder, für die Englisch die Muttersprache ist. Sie sollten sich bewusst sein, dass das ein großer Vorteil ist und die Gefahr besteht, diesen Teammitgliedern besonderes Gehör zu schenken, da sie sich gewählter ausdrücken können. Hier sollten Sie aktiv dagegen steuern und darauf achten, dass alle im Team – auch die nicht-Muttersprachler – genügend Raum in Teammeetings bekommen.

Sie dürfen nie vergessen, dass die Beherrschung des Englischen bzw. Deutschen als Arbeitssprache nicht gleichbedeutend ist mit der Beherrschung des Themas bzw. des Fachgebiets.

Machtfaktor Nationalität des Teamleiters

Als Teamleiter sollte Ihnen bewusst sein, dass Ihre eigene Nationalität ein Machtfaktor im Team ist. Als Leiter des Teams haben Sie natürlich sowieso mehr Macht. Das ist in der Regel  unumstritten. Doch was Sie bedenken sollten, ist, dass gleichzeitig anderen Teammitgliedern, die Ihre Nationalität teilen, auch mehr Macht zukommt. 

Es ist anzunehmen, dass Sie eine ähnliche Art der Kommunikation pflegen wie auch die anderen Teammitglieder aus Ihrem Land. Die gemeinsame Basis ist zwischen Menschen eines Landes meist größer, als die mit Menschen aus anderen Ländern und Kulturkreisen – besonders beim oberflächlichen Kontakt.

Darum sollten Sie von Zeit zu Zeit ehrlich reflektieren, ob Sie die Teammitglieder, die aus Ihrem Land kommen, mehr schätzen und ihren Meinungen mehr Gewicht einräumen. Das ist eine große Gefahr, weil dann das Potenzial der anderen Teammitglieder nicht genügend genutzt wird.  Im  Zeichen von Diversity sollten alle Teammitglieder Gehör finden, egal, welcher Nation oder Kultur sie angehören.

Machtfaktor Firmenzentrale/Unternehmenskultur

Wenn wir schon von Kulturen sprechen, sollten Sie sich als Teamleiter auch Gedanken darüber machen, inwieweit die Kultur der Muttergesellschaft die Unternehmenskultur geprägt hat. Dass die nationale Kultur des Stammhauses die Unternehmenskultur stark beeinflusst, ist eher die Regel.

Als Teamleiter sollte Ihnen klar sein, dass die Teammitglieder, die aus demselben Land kommen wie die Unternehmenszenrale, automatisch einen Vorteil besitzen. Sie können sich wahrscheinlich noch leichter in den Firmenwerten und -strategien wiederfinden.

Umso wichtiger ist es, dass Sie bewusst darauf achten, auch die Meinungen der anderen Teammitglieder anzuhören. Das wird Ihnen wahrscheinlich leichter fallen, wenn auch Sie nicht aus der Kultur des Stammhauses kommen. Dann sind Sie nämlich bereits sensibilisiert. 

Sind Sie jedoch deutscher Nationalität und arbeiten in einem deutschen global aufgestellten Konzern, dann ist der Machtfaktor "deutsch" hier doppelt vertreten: zum einen sind Sie als Teamleiter Deutscher, zum anderen arbeiten alle in einem deutschen Konzern mit deutsch angehauchter Unternehmenskultur.

Das alles heißt nicht, dass das per se schlecht ist. Nur sollten Sie sich diese Faktoren bewusst machen, um Ihr Verhalten immer wieder zu reflektieren und auch die Meinungen der Teammitglieder aus anderen Ländern  einzuholen.

Machtfaktor Präsenz vor Ort

Virtuelle Teams sind nicht an einem Ort, das lässt schon der Name erahnen. Jedoch kann es sein, dass einige im Team an einem Ort zusammen sind, während andere einzeln in einer Außenstelle sitzen oder gar im Homeoffice.

Die Teammitglieder, die an einem Ort sind, können in der Regel  besser und informeller miteinander kommunizieren und sich absprechen. Das kann schnell dazu führen, dass Mitarbeiter in Außenstellen schnell überstimmt werden oder dass ihre Meinung kaum Gehör findet.

Sie haben weniger Möglichkeiten, sich mit den anderen abzustimmen. Besonders, wenn Sie als Teamleiter mit einigen in einem Büro sitzen und sie fast täglich sehen, während Sie andere kaum sehen, ist Vorsicht geboten. Regelmäßige Einzeltelefonate mit den entfernten Teammitgliedern sind hier Pflicht.

Aus den Augen – aus dem Sinn: Wenn Videokonferenzen stattfinden, bei denen der Großteil des Teams in einem Raum versammelt ist, während vereinzelte Teammitglieder in Außenstellen zugeschaltet sind, ist schnell klar, wer hier am längeren Hebel sitzt. Als  Teamleiter und Moderator vor Ort ist es wichtig, darauf zu achten, dass keine Nebengespräche stattfinden, die die zugeschalteten Teammitglieder nicht mitbekommen.

Es ist Ihre Aufgabe als Moderator, dafür zu sorgen, dass alle Teammitglieder vor Ort laut und verständlich sprechen und dass Sie immer wieder die per Video- oder Telefonkonferenz zugeschalteten Mitglieder explizit mit einbeziehen.

Machtfaktor kulturelle Mehrheit

Wenn Teams multinational besetzt sind und jede Nation nur einmal vertreten ist, dann ist das der Idealzustand eines internationalen Teams mit hohem Synergiepotenzial. Dies ist jedoch selten der Fall. Meist bilden manche Nationen bzw. Kulturen die Mehrheit im Team. Wieder ein Machtfaktor, den Sie als Team- oder Projektleiter beachten müssen.

Oft sind die Teamleiter aus demselben Land wie die Muttergesellschaft, und ein Großteil der Teammitglieder kommt auch noch aus diesem Land. Klarer Fall, welche Kultur hier die Oberhand hat.

Beispiel: in einem deutschen Konzern leitet eine deutsche Projektleiterin ein internationales Projekt mit acht Teammitgliedern. Neben ihr sind noch vier Deutsche im Team, dann gibt es einen Franzosen, eine Amerikanerin, einen Chinesen und einen Inder. Was meinen Sie, wie wichtig die deutsche Kultur, deren Kommunikationsstandards und Werte in diesem Team sein werden?

In einem solchen Fall sollten Sie die nicht-deutschen Teammitglieder auf die Arbeit im Team mit einem interkulturellen Training vorbereiten. Am besten gemeinsam mit den deutschen Teammitgliedern. So kann eine gemeinsame Ebene geschaffen und Kommunikationsregeln gemeinsam fürs Team erarbeitet werden. Vielen Konflikten wird somit vorgebeugt, und die Zusammenarbeit gestaltet sich hinterher mit einer viel größeren  Leichtigkeit.