PKV-Experte Peter A. Schramm: Nutzen Sie das Tarifwechsel-Recht

Obwohl die privaten Krankenversicherungen "Alterungsrückstellungen" in Millionenhöhe bilden, steigen gerade die Prämien von älteren Kunden teilweise dramatisch. Warum ist das so, was lässt sich dagegen tun? experto.de sprach dazu mit einem unabhängigen Experten, dem Gerichtsgutachter Peter A. Schramm.

experto.de: 2012 soll ein teueres Jahr für PKV-Kunden werden. Um wie viel steigen die Prämien

Peter A. Schramm: Bei einigen Tarifen für ambulante Behandlungen sind im Extremfall Sprünge bis zu 60 Prozent zu verzeichnen. Bei den meisten Tarifen für Zahnarztbehandlungen und Krankenhaus steigen die Prämien indes moderat oder gar nicht. Bei der Gesamtprämie liegen die Erhöhungen für Betroffene zwischen etwa 5 und bis zu mehr als 20 Prozent besonders bei Älteren langjährig Versicherten.

experto.de: Was sind die Gründe für die massiven Erhöhungen bei den ambulanten Tarifen?

Peter A. Schramm: Zum Teil werden Erhöhungen schlicht nachgeholt, weil in den Vorjahren die Mindestgrenze von 5 oder 10 Prozent Leistungszunahme nicht erreicht wurde. Darunter ist eine Beitraganpassung unzulässig. Generell machen sich die weiter steigenden Leistungsausgaben sowie die längere Lebenserwartung und der Rückgang der Kündigungen bemerkbar, weil dadurch die hohen Leistungen im Alter häufiger und länger erbracht werden müssen.

experto.de: Wen trifft es am härtesten?

Peter A. Schramm: Die langjährig Versicherten, also die älteren PKV-Kunden. Davor schützt auch keine Alterungsrückstellung, denn sie basiert auf einer Kalkulation ohne Einrechnung des Kostentrends durch Inflation und medizinischen Fortschritt. Vor allem eine steigende Lebenserwartung, verbunden mit allgemein steigenden Krankheitskosten, schlägt später voll durch – der medizinische Fortschritt lässt sich halt nicht für Jahrzehnte vorhersagen und ist daher auch nicht bei den Alterungsrückstellungen berücksichtigt.

experto.de: Einige Versicherer sollen sich mit Billigtarifen verkalkuliert haben. Müssen die Kunden nun dafür bluten?

Peter A. Schramm: Nach dem Gesetz ist es ausgeschlossen, dass Kunden für Fehlkalkulationen mit höheren Prämien gerade stehen müssen.  Dafür haften die Unternehmen selbst, wenn ihre Aktuare, die Versicherungsmathematiker, dies hätten erkennen müssen. Größere Fehlkalkulationen bei den Billigtarifen halte ich auch für unwahrscheinlich. Sollte jedoch der eine oder andere, sagen wir, zu optimistisch kalkuliert haben, kann der Laie das ohnehin nicht feststellen und reklamieren.

experto.de: Was könnte ein Kunde bei unerklärlichen Prämiensprüngen tun?

Peter A. Schramm: Mit einem Gutachten kann geklärt werden, ob ein Tarif vernünftig kalkuliert wurde. Die privaten Krankenversicherer sind in einem Gerichtverfahren verpflichtet, ihre Kalkulation zumindest einem zur Verschwiegenheit verpflichteten Gerichtssachverständigen offenzulegen.

Das hat das Bundesverfassungsgericht schon vor Jahren entschieden (Az: 1 BvR 2203/98). Jährlich gibt es etwa 200 Prozesse dieser Art. Die Ergebnisse werden aber meist nicht bekannt, weil sich die Parteien zum Beispiel auf einen Vergleich einigen, in dem sich alle auch zur Geheimhaltung verpflichten.

experto.de: Gab es bereits Fälle von groben Fehlern?

Peter A. Schramm: Ja. In einem Fall hatte ein Krankenversicherer den Anpassungsbedarf dadurch nachweisen wollen, dass er lediglich die Formeln geändert hatte, ohne dass die Leistungen tatsächlich gestiegen waren. In einem anderen Fall wurden die alten Statistiken der letzten Beitragsanpassung versehentlich bei der nächsten wiederverwendet.

experto.de: Was empfehlen Sie, um Prämien zu drücken?

Peter A. Schramm: Die Kunden sollten viel nachdrücklicher von ihrem Recht Gebrauch machen, den Tarif zu wechseln. Manche haben einfach nur Pech, dass in "ihrem" Tarif überdurchschnittlich viele Kranke sind – die Prämien müssen dann mit diesen kalkuliert werden.

Mitunter bringen schon kleine Änderungen eine deutliche Einsparung, z. B. weil der neue Tarif auf den Höchstsatz nach der Gebührenordnung für Ärzte begrenzt. Das ist eine Leistungseinbuße, die die meisten niemals bemerken werden. Die größte Ersparnis kommt nicht von den Leistungseinschränkungen, sondern von dem meist viel größeren Anteil Gesunder im neuen Tarif.

experto.de: Wie geht man am besten vor?

Peter A. Schramm: Der Kunde kann zunächst den Versicherer bitten, ein Angebot für einen Tarifwechsel zu machen. Dauert das zu lange, mauert der Versicherer oder bietet er nicht die  geeignetsten Tarife, kann der Kunde die Unterstützung von Experten für Tarifwechsel in der PKV hinzuziehen.

Adressen findet man im Internet. Das Honorar richtet sich meist nach der tatsächlichen Ersparnis oder dem Zeitaufwand. Vergleichen lohnt sich auch hier – und das Honorar macht sich meist schon nach wenigen Monaten bezahlt. Denn ein Tarifwechsel-Berater kann schneller die geeignetsten Tarife finden und dem Kunden dazu unproblematischer verhelfen.

Info Peter A. Schramm:

Der Diplom-Mathematiker ist Sachverständiger für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung (PKV), öffentlich bestellt und vereidigt von der Industrie- und Handelskammer Frankfurt/Main. Schramm erstellt unter anderem Gerichtsgutachten zu Beitragsanpassungen oder Prämienanpassungen in der PKV und leistet  Beratung zu Tarifangeboten und Tarifumstellungen (Vertragsänderungen oder Tarifwechsel nach § 204 VVG). Webseite: www.pkv-gutachter.de

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