ALG II: Fordern und Fördern? (Teil 1)

Man nennt es ALG II oder HARTZ IV, es werden die schlimmsten Geschichten über Empfänger und zuständige Behörden erzählt und oftmals schwört man sich (und ist sich auch sicher), nie selbst in die Verlegenheit zu kommen, es beanspruchen zu müssen. Die Rede ist vom Arbeitslosengeld II, einer Sozialleistung, die - zu Unrecht - in den Ruf geraten ist, dass hier unfähige Beamte an arbeitsunwilligen Schmarotzern Geld verschenken.

Was ist dieses ALG II aber nun, wer hat Anspruch darauf und was muss alles beachtet werden? All diese Fragen behandeln wir in unserer Serie ALG II – Fordern und Fördern.

Gleich vorweg: das ALG II ist eine ganz normale Sozialleistung, für die man sich in keiner Weise irgendwo und gegenüber irgend jemand zu schämen braucht. Insbesondere bei bestimmten privaten Fernsehsendern wird seit Jahren mühsam das Bild des lebensunfähigen, arbeitsunwilligen Menschen mit möglichst 8 Kindern von 9 verschiedenen Vätern und 4 Hunden (wovon mindestens 5 Kampfhunde sind) gepflegt. Das ist natürlich absoluter Blödsinn:

Der überaus größte Anteil der ALG-II-Bezieher sind Menschen wie Du und ich, die oftmals jahrzehntelang ihre Arbeit gewissenhaft ausgeübt haben und meistens unverschuldet in das ALG II hineinrutschten oder sogar noch während des ALG-II-Bezuges 8 Stunden am Tag arbeiten gehen – Stichwort Friseurin.

Anspruchsberechtigung auf ALG II
Anspruch auf das ALG II – der Zusammenlegung der früheren Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe – haben diejenigen Menschen, deren Einkommen nicht für den eigenen Lebensunterhalt ausreicht. Das betrifft nicht nur (wie der Name Arbeitslosengeld denken lässt) Arbeitslose, sondern auch Berufstätige mit einem geringen Arbeitseinkommen und auch Kinder ohne eigenes Einkommen.

Bis auf wenige Ausnahmen, auf die wir später zu sprechen kommen, werden bei einem ALG-II-Anspruch generell alle in einem Haushalt wohnenden Personen berücksichtigt. Es reicht also für einen Anspruch nicht aus, dass eine Person zwar kein Einkommen hat, dafür aber eine andere im Haushalt wohnende Person ein recht hohes Gehalt nach Hause bringt – es wird das Gesamteinkommen aller im Haushalt wohnender Personen bei der Frage nach der Bedürftigkeit zu Grunde gelegt.

Neben der entscheidenden Frage nach dem Alter sind auch noch andere Kriterien entscheidend für einen Anspruch. So muss der Antragsteller mindestens 15 und maximal 65 Jahre alt sein, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben und erwerbsfähig sein.

Unter "erwerbsfähig" wird verstanden, dass der Antragsteller gegenwärtig und/oder voraussichtlich innerhalb der nächsten 6 Monate nicht wegen Krankheit oder Behinderung außerstande ist, mindestens 3 Stunden am Tag erwerbstätig zu werden.

Minderjährige Kinder haben keinen Anspruch auf ALG II, sondern auf das Sozialgeld, welches von den Kriterien und der Höhe identisch mit dem ALG II ist.

Zwar habe ich oben erklärt, dass im Prinzip jeder – abhängig vom Alter und der Erwerbsfähigkeit – Anspruch auf ALG II hat, aber es wäre schon seltsam, wenn es ausgerechnet bei dieser Aussage nicht auch Ausnahmen geben würde. Keinen Anspruch auf ALG II haben:

  • Auszubildende
  • Patienten in Krankenhäusern
  • Häftlinge  

Auf die Ausländerproblematik im Zusammenhang mit dem ALG II wird hier bewusst nicht weiter eingegangen, weil dies angesichts der Kompliziertheit der Bestimmungen im Zusammenhang mit dem Ausländerrecht jeden Rahmen sprengen würde.

Auszubildende und ALG II
Auszubildende (darunter fallen Azubis, Schüler und Studenten) haben keinen Anspruch auf ALG II, sofern die Ausbildung grundsätzlich anders gefördert werden kann. Diese anderen Förderungsmöglichkeiten sind bei Azubis die Berufsausbildungsbeihilfe (BAB), bei Schülern das Schüler-BaföG und bei Studenten das BaföG. Aber auch wenn diese Förderungen aus welchen Gründen auch immer nicht gezahlt werden, besteht weiterhin kein Anspruch auf ALG II, weil die Auszubildenden ja nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und somit nicht vermittelbar sind.

Natürlich gibt es aber auch hier wieder Ausnahmen: Bei bestimmten Schularten und einem daraus resultierenden geringen Schüler-BaföG-Anspruch kann durchaus eine ALG-II-Förderung vorgenommen werden. Auch kann im Einzel- und Härtefall trotz Bezug von BAB oder BaföG das ALG II als Darlehen gewährt werden und Auszubildende können ungeachtet des nicht vorhandenen Anspruches auf ALG II einen Anspruch auf die so genannte Mietbeihilfe haben. Diese Mietbeihilfe erläutere ich im Teil Kosten der Unterkunft.

Patienten und Häftlinge und ALG II
Bei einem Krankenhausaufenthalt wird das ALG II in den ersten sechs Monaten normal weiter gezahlt, dann ist der Anspruch erloschen und es muss unter Umständen die Sozialhilfe beantragt werden (da ja dann die bereits oben erwähnte Erwerbsunfähigkeit eintritt).

Der ständige Aufenthalt in einer Justizvollzugsanstalt wird bei Untersuchungshäftlingen ebenfalls bis zu maximal 6 Monaten "gefördert“, allerdings nicht mit dem vollen ALG II, sondern nur mit einem reduzierten Satz. Rechtskräftig verurteilte Straftäter haben keinen Anspruch auf ALG II.

In der nächsten Folge wenden wir uns der Bedarfs- und der Haushaltsgemeinschaft zu. Freuen Sie sich also mit uns auf dieses ungemein spannende Thema.