Grobe Fahrlässigkeit in der Kaskoversicherung

Grobe Fahrlässigkeit gefährdet bekanntlich die Leistungspflicht des Kasko-Versicherers (§ 81 VVG). Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (§ 276 BGB) in besonders hohem Maße außer Acht lässt. Das ist im Straßenverkehr in der Regel bei Vorliegen von Trunkenheit oder Übermüdung der Fall. Doch es gibt Ausnahmen.

So hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urt. vom 22.06.2011, Az. IV ZR 225/10 entschieden, dass ein Leistungskürzungsrecht des Kasko-Versicherers gem. § 81 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles ausscheidet, wenn der Fahrer unzurechnungsfähig, d. h. schuldunfähig im Sinne des § 20 StGB ist. In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Fall war ein PKW-Fahrer mit einem Blutalkoholgehalt von 2,7 Prozent von der Fahrbahn abgekommen und hatte einen Schaden von 6.400,00 EUR an seinem kaskoversicherten Wagen verursacht.

Hinweis: Im Strafverfahren wurde der Fahrer gem. § 323a Abs. 1 StGB (Vollrausch) verurteilt. Hier helfen die vorstehenden Erwägungen nicht. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob und wenn ja, wie sich der Fahrer zum Hergang einlässt. Daraus folgt: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold !

Denn: Grobe Fahrlässigkeit könnte doch vorliegen, wenn der Schuldvorwurf an eine Handlung vor Eintritt der Unzurechnungsfähigkeit anknüpft. Das ist dann der Fall, wenn der Fahrer vor Trinkbeginn erkannte oder grob fahrlässig nicht erkannte, dass er im Zustand der Unzurechnungsfähigkeit einen Versicherungsfall herbeiführen wird.

Hier ist deshalb jedes Wort wichtig, das der Fahrer zu seinem Verhalten vor dem Schadensfall sagt. Deshalb gilt: Hilfreich sind auch alle Maßnahmen des Fahrers, die belegen können, dass er im Zustand der Trunkenheit nicht fahren wollte.

Daraus folgt, dass es sinnvoll ist, mit Bus und Bahn in die Stadt zu fahren, wenn eine Kneipentour geplant ist oder dass man dem Wirt die Fahrzeugschlüssel aushändigt, wenn man alkoholische Getränke zu sich nehmen will. Wenn es danach dennoch zu einer Trunkenheitsfahrt kommt, ist der Fahrer entlastet.

Fahrlässigkeit bei Sekundenschlaf
Nickt ein Kraftfahrer hinter dem Steuer seines Wagens ein, stellt sich stets auch die Frage nach grober Fahrlässigkeit, wenn es zu einem Schadensfall kommt. Doch auch in diesem Zusammenhang gibt es eine wichtige Entscheidung des BGH im Zusammenhang mit dem Thema Sekundenschlaf (Urt. vom 21.03.2007, Az. I ZR 166/04).

Zugrunde lag ein Auffahrunfall, den ein LKW verursachte. Der Fahrer fuhr ungebremst auf einen an einem Stauende stehenden anderen LKW auf, weil er eingenickt war (sog. Sekundenschlaf). Das Gericht hat dazu festgestellt: "Lässt sich als Unfallursache sog. Sekundenschlaf nachweisen, hat der Fahrer nur dann grob fahrlässig gehandelt, wenn er sich bewusst über von ihm erkannte deutliche Anzeichen einer Übermüdung hinweggesetzt hat."

Bei der Überprüfung, ob man als Fahrer deutliche Anzeichen einer Übermüdung erkannt und sich bewusst darüber hinweg gesetzt hat, kann jedes unbedachte Wort negative Folgen auslösen. Zunächst werden alle objektiv feststellbaren Vorgänge herangezogen. Dazu gehört vor allem die Frage, ob die Lenk- und Ruhezeiten ordnungsgemäß eingehalten wurden und ob der Fahrer vor Antritt der Fahrt ausreichend Schlaf hatte.

Hinweis: Hier dürfen keine Widersprüche in der Darstellung auftreten. Dies sollte man notfalls durch einen versierten Rechtsanwalt überprüfen lassen

Soweit das subjektive Erleben abgefragt wird, muss man sich nicht selbst belasten. Aber auch hier gilt, dass Widersprüche den Wahrheitsgehalt der Angaben infrage stellen. Bleibt der Sachverhalt unaufgeklärt, muss der Versicherer den Schaden regulieren. Er ist insofern beweispflichtig.