Sozialauswahl: Müssen Familienangehörige des Chefs auch mit einer Kündigung rechnen?

Nicht immer lassen sich in schweren wirtschaftlichen Zeiten betriebsbedingte Kündigungen zum Personalabbau vermeiden. Aber müssen auch Familienangehörige, die im Betrieb beschäftigt sind, mit dem "blauen Brief" rechnen, wenn sie bei der Sozialauswahl hinten anstehen? Im Prinzip "ja". Gleichwohl gibt es genügend Wege, wie sich die Sozialauswahl für Angehörige umgehen lässt.

Falls in Ihrem Unternehmen das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) Anwendung finden sollte, sind davon zunächst auch Angehörige unter bestimmten Voraussetzungen betroffen. Das Kündigungsschutzgesetz verlangt eine Sozialauswahl bei der betriebsbedingten Kündigung. Der Sozialauswahl unterliegen alle Arbeitnehmer eines Betriebs, die vergleichbar sind; mithin auch Familienangehörige des Arbeitgebers.

Aus diesem Personenkreis muss später die eigentliche Sozialauswahl getroffen werden. Der Arbeitgeber hat anhand von Sozialkriterien festzustellen, wer sozial schwächer ist. Dabei spielt das Lebensalter, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung die wesentliche Rolle. Der Sozialschwächere genießt jeweils den höheren Kündigungsschutz. Dieser Sozialauswahl müssen sich alle vergleichbaren Arbeitnehmer, mithin unter Umständen auch die Angehörigen des Arbeitgebers, unterziehen.

Aber es gibt Ausnahmen bei der Sozialauswahl. Nach § 1 Absatz 3 Satz 2 KSchG können Mitarbeiter aus der Sozialauswahl herausgenommen werden, deren Weiterbeschäftigung durch betriebstechnische, wirtschaftliche oder sonstige berechtigte, betriebliche Interessen zwingend erforderlich ist. Dies trifft auf einen Angehörigen des Arbeitgebers fast immer zu, sofern dieser am Unternehmen als Gesellschafter beteiligt ist, besonders leistungsfähig ist, über persönliche Verbindungen zur Kundschaft und zu Lieferanten bzw. über besondere Qualifikationen und Kenntnisse verfügt oder für zukünftige Führungsaufgaben vorgesehen ist.

Erst wenn dies alles nicht der Fall sein sollte, muss geprüft werden, ob ein gekündigter Mitarbeiter bei der Sozialauswahl zunächst die Kündigung eines Familienangehörigen des Chefs verlangen kann. Ob dies im Einzelfall zumutbar ist, müssen die Arbeitsgerichte entscheiden.

In Kleinbetrieben gilt Sozialauswahl nach dem Kündigungsschutzgesetz ohnedies nicht. Hier sind die Mitarbeiter nur vor sittenwidrigen und treuwidrigen Kündigungen geschützt. Auch hier ist bei betrieblich veranlassten Kündigungen eine Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern zu treffen, wobei die Dauer der Beschäftigung und soziale Kriterien zu berücksichtigen sind. Der Chef darf aber auch persönliche Gründe bei seiner Entscheidung heranziehen und deshalb im Kleinbetrieb seine Familienangehören von der Kündigung ausnehmen.