Mitarbeiter klaut – vielleicht? Eine Verdachtskündigung ist kaum möglich

Erneut hat sich ein Gericht mit einer Verdachtskündigung eines Auszubildenden beschäftigt. Doch wie bereits vor einigen Monaten die Richter des Landesarbeitsgerichts Köln entschieden hatten, so hielten es auch deren Kollegen in Rheinland-Pfalz (Az.: 9 Sa 40/07 vom 31.8.2007): Ein Verdacht allein reicht für eine Kündigung eines Auszubildenden nicht aus. Das gilt auch dann, wenn die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß ist, dass der Verdacht berechtigt ist. Eine Verdachtskündigung ohne weitere Hinweise auf ein Vergehen ist also kaum praktisch umsetzbar.

Die Verdachtskündigung
Konkret ging es um eine Auszubildende, der kurz vor Ende der Ausbildung fristlos gekündigt wurde. Der Vorwurf: Sie hätte die Anzahlung eines Kunden in Höhe von 500 € unterschlagen. Das Ausbildungsunternehmen war durchaus bestrebt, die Wahrheit herauszufinden, und nahm Kontakt mit dem Kunden auf, um den Verbleib des Geldes zu klären. Anschließend galt der Verdacht als erhärtet. Die Auszubildende selbst wurde ebenfalls gehört und konnte den Verdacht nicht aufweichen oder klar ausräumen. Damit galt es für den Betrieb als erwiesen, dass die Auszubildende das Geld für eigene Zwecke abgezweigt habe.

Es folgte die fristlose Kündigung und später ein böses Erwachen: Die Richter des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz machten einen klaren Unterschied zwischen einem Ausbildungsverhältnis und einem „normalen" Arbeitsverhältnis. Sie stellten fest, dass eine Kündigung in der Ausbildung so gut wie ausgeschlossen ist.

Verdachtskündigung nur in ganz besonderen Fällen rechtens
Die einzige Ausnahme, mit der ein Ausbildungsverhältnis wegen eines Verdachts rechtmäßig gekündigt werden kann, ist durch den besonderen Charakter des Ausbildungsverhältnisses zu begründen. Hätte die Auszubildende an einem Bankschalter gearbeitet, wäre die Belastung für den Betrieb zu groß gewesen, sie weiterzubeschäftigen. In diesem Fall hätte ein begründeter Verdacht sehr wohl ausgereicht.

Hintergrund des Urteils
Im Fall von fristlosen Kündigungen von Auszubildenden nach der Probezeit lassen Arbeitsrichter besondere Sorgfalt walten. Sie wägen die Nachteile für den Auszubildenden auf Grund einer erfolgreichen Kündigung gegenüber den Nachteilen des Betriebs bei einer Weiterbeschäftigung genau ab. Eine Verdachtskündigung wird dabei als schwerwiegende Belastung für Auszubildende gesehen. Die Weiterbeschäftigung ist für den Betrieb damit verglichen doch eher zumutbar. Das gilt zumindest, solange nichts bewiesen ist und keine besonderen Umstände (Stichwort: Bankschalter) vorliegen.

Praxis-Tipp
Kündigen Sie niemals auf Verdacht, wenn keine absolute Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung in Ihrem Gewerbe und bei dieser Tätigkeit gegeben ist. Greifen Sie auch nicht auf das Instrument der Abmahnung zurück. Auch diese ist ohne Beweise angreifbar. Es bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als den betroffenen Azubi weiterzubeschäftigen. Es ist allerdings Ihr Recht,

  • ihn künftig unter genaue Beobachtung zu nehmen, nach weiteren (möglicherweise auch entlastenden) Indizien zu suchen, und
  • den Auszubildenden nach der Abschlussprüfung nicht zu übernehmen (wenn keine tarifvertragliche Regelung dem widerspricht).

Tipp
Um auch im späteren Verlauf der Ausbildung auf unerwartete Ereignisse solcher Art reagieren zu können, sollten Sie eine Übernahme nicht allzu früh fest versprechen oder gar unterschreiben. Es ist zwar wichtig, konkrete Perspektiven aufzuzeigen, diese sollten jedoch an einen ungetrübten/reibungslosen Ausbildungsverlauf gekoppelt sein. In eine verbindliche Übernahmeentscheidung sollten Sie möglichst viele Erkenntnisse aus der Ausbildung einfließen lassen.

Ein Trumpf blieb im Ärmel
Eine weitere Argumentationsbasis für dieses Gerichtsurteil hätte das weit fortgeschrittene Ausbildungsverhältnis sein können. Schließlich stand die Auszubildende bereits kurz vor der Abschlussprüfung. Das wiegt vor Gericht sehr schwer, musste in diesem Fall einer Verdachtskündigung jedoch nicht einmal als Argument herhalten. Um kurz vor der Abschlussprüfung rechtmäßig kündigen zu können, müssen besondere und nachgewiesene Gründe vorliegen.

Beispiel: Wäre eine Unterschlagung der Anzahlung des Kunden – durch Zeugenaussage oder Geständnis – bewiesen worden, dann hätte dies auf jeden Fall eine fristlose Kündigung gerechtfertigt. In diesem Fall hätte selbst unmittelbar vor der Abschlussprüfung eine Kündigungsschutzklage keine Chance gehabt.