Schwerbehinderte Bewerber haben nicht immer Sonderrechte

Das BAG hat Arbeitgeber bei Bewerbungen schwerbehinderter Arbeitnehmer gestärkt. Diese haben Sonderrechte, zu den wichtigsten gehörten der Anspruch auf Zusatzurlaub und gesteigerter Kündigungsschutz. Schwerbehinderte Bewerber genießen diesen besonderen Schutz und die Fürsorge nach dem SGB IX aber nur dann, wenn sie in der Bewerbung auf die Schwerbehinderung deutlich hinweisen (BAG, Urteil v.18.09.2014 (8 AZR 759/13).

Das SGB IX sieht u. a. vor, dass Bewerbungen schwerbehinderter Arbeitnehmer umgehend nach Eingang der Mitarbeitervertretung, also dem Betriebs- bzw. Personalrat, zuzuleiten sind (§ 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Als Arbeitgeber dürfen Sie damit also nicht warten, bis die Bewerbungsfrist abgelaufen ist oder Ihrer Ansicht nach "genug" Bewerbungen eingegangen sind. Sie müssen vielmehr sofort aktiv werden.

Sie dürfen also auch nicht die Bewerbungen schwerbehinderter Bewerber zunächst sammeln und die gesammelten Bewerbungen dann "im Block" an die Mitarbeitervertretung weiterleiten. Es gilt der Grundsatz jede einzelne Bewerbung muss nach dem jeweiligen Eingang unverzüglich weitergeleitet werden.

Indiz für AGG-Verstoß

Das erleichtert weder Ihre Arbeit noch die Ihrer Mitarbeitervertretung. Trotzdem sollten Sie diese Vorgabe akribisch einhalten. Denn ein Verstoß dagegen kann als Indiz für eine nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbotene Diskriminierung angesehen werden. Die mögliche Folge sind Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche. Diesen Forderungen können Sie zwar entgehen, wenn Sie beweisen können, dass trotz des Indizes keine verbotene Diskriminierung vorgelegen hat. Das ist ein Beweis, der in der Praxis nur selten gelingt.

Aber dies setzt voraus, dass Ihnen die Schwerbehinderung überhaupt bekannt ist. Aus diversen Gründen verschweigen schwerbehinderte Bewerber die Schwerbehinderung gelegentlich. Dann können sie sich aber auch nicht darauf berufen, dass Sie als Arbeitgeber die Vorgaben des SGB IX nicht eingehalten haben und deshalb gar eine Entschädigung verlangen. Das ist auch noch logisch.

BAG-Richter haben Verständnis für Arbeitgeber

Aber – und hier kommt die angesprochene Entscheidung des BAG ins Spiel – das geht noch weiter. Die BAG-Richter fordern in der neuen Entscheidung, dass schwerbehinderte Bewerber entweder im Bewerbungsschreiben oder im Lebenslauf deutlich auf die Schwerbehinderung hinweisen. Es reicht also nicht der in einer Sammlung von Anlagen versteckte Hinweis auf die Schwerbehinderung.

Zudem ist der Hinweis in jeder neuen Bewerbung erforderlich. Also auch, wenn sich der Bewerber bereits vor einigen Wochen einmal bei Ihnen beworben hat und dabei auf die Schwerbehinderung hingewiesen hat, reicht das noch nicht, um die Pflicht zur sofortigen Weiterleitung der Unterlagen zu begründen. Denn schließlich kann niemand von Ihnen verlangen, dass Sie sich an alle Details aller bei Ihnen in der Vergangenheit eingegangenen Bewerbungen erinnern.

Damit wird aber das mögliche Indiz für die AGG-widrige Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung ausgehebelt.

Tipps für Arbeitgeber

Diese Entscheidung bietet für gleich drei Tipps Anlass:

  1. Organisieren Sie den Eingang von Bewerbungsunterlagen so, dass Bewerbungen geprüft werden und, wenn sie von schwerbehinderten Personen kommen, umgehend an den Betriebsrat und ggfs. die Schwerbehindertenvertretung weitergereicht werden.
  2. Fällt Ihnen die Schwerbehinderung erst später auf – etwa weil der Hinweis darauf in einer umfangreichen Anlagensammlung "versteckt" ist – informieren Sie die genannten Stellen umgehend nach Bekanntwerden der Schwerbehinderung. Weisen Sie dabei auf den versteckten Hinweis auf die Schwerbehinderung und die genannte Entscheidung des BAG hin.
  3. Haben Sie dies berücksichtigt und werden trotzdem Entschädigungsforderungen geltend gemacht, berufen Sie sich auf das BAG-Urteil.