Niederflurbett oder Bettgitter – was passt bei Sturzgefahr?

Die Option für ein Niedrigflurbett ist abhängig von einer Vielzahl von Kriterien und immer eine Entscheidung im konkreten Einzelfall. Das Niederflurbett ist aber leider je nach Verhalten und Mobilitätsstatus nicht immer und in jedem Fall das geeignete Mittel bei sturzgefährdeten Menschen, also kein "Allzweckmittel".

Alternative zum Bettgitter

Das Niedrigflurbett ist geeignet bei Personen, die Angst haben aus dem Bett zu fallen und diese Lösung einem Bettgitter vorziehen. Aber auch bei kleiner gewachsenen Menschen kann das Niedrigflurbett die Mobilität, insbesondere beim Aufstehen erhalten oder gar verbessern. Ferner ist das Niedrigflurbett dann eine sinnvolle Alternative zum hochgezogenen Bettgitter, wenn der Betroffene so viel Kraft und Koordinationsvermögen aufbringt, um über das Bettgitter hinweg zu steigen und darüber hinaus signalisiert, dass er sich in seinem Bewegungs- und Freiheitsdrang eingeschränkt fühlt. In einem solchen konkreten Fall kann das Niedrigflurbett die sinnvollere Alternative z. B. zum Bauchgurt (+Bettgitter) darstellen. Grundsätzlich sind noch folgende Aspekte bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen:

1. Das tatsächliche Verhalten und der mutmaßliche Wille des Betroffenen

Werden keinerlei Abwehrreaktionen oder entsprechende verbale oder nonverbale Bekundungen gegen das Bettgitter wahrgenommen, sondern im Gegenteil: Das hochgezogene Bettgitter wird quasi als Mobilitätshilfe beim Drehen im Bett genutzt, indem der Betroffene sich daran hält und sich zum Lagewechsel abstößt oder hinzieht, dann dürfte diese Maßnahme in der Regel dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Betroffenen entsprechen. Fraglich bleibt im Zweifelsfall, ob der Betroffene die Option des Niederflurbetts im Zustand kognitiver Einwilligungs- bzw. Geschäftsfähigkeit tatsächlich so akzeptieren würde und nicht eher selbst das Hochziehen des Bettgitters vorziehen würde.

2. Der konkrete Mobilitäts-Status

Hier orientiere ich mich an den pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen von Professor Angelika Zegelin. Befindet sich der Betroffene in der Phase der "Immobilität im Raum" und ist nicht mehr in der Lage, sich Hilfe per Ruf- oder Klingelanlage zu erbitten, kann das Niedrigflurbett das Mittel der Wahl sein. In Kombination mit Teilbettseitenteilen, die einen Durchlass aus dem Niedrigflurbett heraus zum Aufstehen lassen und zugleich als zusätzliche Haltemöglichkeiten fungieren, kann eine vor das Bett positionierte Kontaktmatte dann zielführend sein, wenn der Betroffene noch in der Lage ist, mit Hilfe eines Hilfsmittels (z. B. Rollator) zu gehen (aber auf zusätzliche Hilfe angewiesen wäre) oder selbstständig einen Transfer vom Bett in den Rollstuhl vorzunehmen. Diese Maßnahme ist in der Tat bei Menschen bis zur Phase der "Immobilität im Raum" geeignet, die lediglich auf eine sichernde Begleitung oder Führung (Sehbehinderung, örtliche Desorientierung) angewiesen sind.

Ortsfixierte Menschen

"Ortsfixierung" hingegen bedeutet, dass die Betroffenen aufgrund ihrer Gang- und Standunsicherheit auf die Hilfe bei kleinen Gehversuchen sowie beim Transfer vom Bett in den Rollstuhl oder vom Rollstuhl in den Ruhesessel angewiesen sind, da sie sonst sofort und unweigerlich stürzen würden. In der Regel werden solche Personen also tagsüber mit personeller oder technischer Hilfe (Lifter) in den Rollstuhl transferiert.

Bei Menschen mit fortgeschrittener Demenz oder starken, kognitiven Einschränkungen, die tatsächlich "Aufstehversuche" in Verkennung der Gefahrensituation und in vollkommener Fehleinschätzung ihrer Ressourcen unternehmen, indem sie zuerst die Beine aus dem Bett bewegen und auf den Boden stellen, um dann einen Gehversuch zu unternehmen, ohne die benötigte Hilfe einzufordern, wäre das Niederflurbett kein Gewinn, da die Zeit bis zum Eintreffen des Pflegepersonals nicht ausreichen würde, um wirksam intervenieren zu können.

Lediglich bei Menschen, die bei geringen, verbliebenen Kräften und vorhandenen Eigenbewegungen im Bett durchaus unbeabsichtigt aus dem Bett fallen könnten (Phase mittelschwerer Bettlägerigkeit), könnte ein Niedrigflurbett mit vorgelegter Matte oder einem Safe-Bag mögliche Sturzfolgeschäden tatsächlich verhindern.

In solchen konkreten Fällen wäre die Kombination mit einem Warnsystem (Klingelmatte) anzuraten, damit das Pflegepersonal zeitnah reagieren kann, da in einem potentiell längeren Zeitfenster neben einer Auskühlung zusätzliche Verletzungsgefahren durch Stoßen oder Robben auf dem Boden oder der Matratze bestehen.
 

Aufstehversuche bewerten

Zeigt der Betroffene also noch so viel Kraft und Eigenbewegung, dass bei einem "Aufstehversuch" die Gefahr bestünde, dass er zuerst die Beine aus dem Bett heraus auf die vor dem Bett liegende Schutzvorrichtung (Matratze oder Safe-Bag) setzen und angesichts seiner Unfähigkeit alleine und koordiniert zu stehen, unweigerlich stürzen würde, würde diese Gefahr gewissermaßen durch die Schutzvorrichtung erst recht erhöht. Ein solcher Sturz beinhaltete dann ein sehr viel höheres Gefährdungspotential im Hinblick auf die Folgen (Verletzungen).

Diese zuletzt reflektierte Maßnahme (Niedrigflurbett) kann also durchaus bei Personen in den ersten drei Phasen nach Zegelin (Instabiltät, Ereignisphase, Immobilität im Raum) und in Einzelfällen bei mittelschwerer oder schwerer Bettlägerigkeit, nicht aber immer bei ortsfixierten oder leicht bettlägerigen Personen angewendet werden.

Auf Bauchgurte verzichten

In jedem Fall sollte aber wegen der Folgeschäden immer auf eine Bauchgurtfixierung verzichtet werden. Solange Kraft und Koordinationsvermögen nicht ausreichen, um das Bettgitter zu übersteigen, und konkrete Abwehrreaktionen nicht beobachtet werden, ist das Bettgitter durchaus eine zielführende Maßnahme.

Fallbesprechungen  abhalten

Problematisch wird es aber bei ortsfixierten Menschen, die in der Lage und willens sind, ein Bettgitter zu übersteigen oder die Aufstehversuche unternehmen. Hier kommt es sicher auch auf die Art und Häufigkeit solcher Aufstehversuche an. Es sollte nach kreativen Lösungen in einer moderierten und strukturierten Fallbesprechung unter Einbeziehung aller Beteiligten gesucht werden.  

Aufstehwarner und Signalsysteme testen

Entscheidend wird sein, dass die Phase der "Immobilität im Raum" so lange wie möglich durch geeignete, sturzpräventive und sturzprotektive Maßnahmen stabil gehalten wird. Bei bereits ortsfixierten Menschen, die vor allem nachts immer wieder aufstehen wollen und dazu nicht die erforderliche Hilfe erbitten können, kann in der Regel am besten mit einem Niederflurbett in Kombination mit einem geeigneten Signalsystem gearbeitet werden. Neben der Kontaktmatte am Boden bietet die Industrie hier mittlerweile noch besser geeignete Systeme (Aufstehwarner) an.