Gesetzliche Kündigungsfristen haben sich 2010 geändert

Der Europäische Gerichtshof hat am 19. Januar 2010 entschieden, dass die in Deutschland geltende Regelung, wonach bei den Kündigungsfristen die Beschäftigungszeiten erst vom 25. Lebensjahr an berücksichtigt werden, gegen das EU-Recht verstößt. Gesetzliche Kündigungsfristen müssen daher 2010 geändert werden.

Die Länge der gesetzlichen Kündigungsfristen ergibt sich aus § 622 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Danach beträgt die Grundkündigungsfrist vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats. Die Kündigungsfrist erhöht sich ab einer Beschäftigungsdauer von zwei Jahren mit steigender Betriebs- oder Unternehmenszugehörigkeit.

Bei der Berechnung der Betriebszugehörigkeit sind gemäß § 622 BGB allerdings die Beschäftigungszeiten nicht zu berücksichtigen, die vor Vollendung des 25. Lebensjahrs des Arbeitnehmers lagen (§ 622 Abs. 2 S.2 BGB). Diese Vorschrift des BGB hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit seiner Entscheidung vom 19. Januar 2010 gekippt (C-555/07).

Die Vorschriften des § 622 BGB zu den Kündigungsfristen 
Nach den Vorschriften des § 622 BGB zur Berechnung von Kündigungsfristen kann das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber ist die Kündigungsfrist wie folgt zu ermitteln:

  • Wenn das Arbeitsverhältnis zwei Jahre bestanden hat, beträgt die Kündigungsfrist einen Monat zum Ende eines Kalendermonats.
  • Wenn das Arbeitsverhältnis fünf Jahre bestanden hat, beträgt die Kündigungsfrist zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats.
  • Wenn das Arbeitsverhältnis acht Jahre bestanden hat, beträgt die Kündigungsfrist drei Monate zum Ende eines Kalendermonats.
  • Wenn das Arbeitsverhältnis zehn Jahre bestanden hat, beträgt die Kündigungsfrist vier Monate zum Ende eines Kalendermonats.
  • Wenn das Arbeitsverhältnis zwölf Jahre bestanden hat, beträgt die Kündigungsfrist fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats.
  • Wenn das Arbeitsverhältnis 15 Jahre bestanden hat, beträgt die Kündigungsfrist sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats.
  • Wenn das Arbeitsverhältnis 20 Jahre bestanden hat, beträgt die Kündigungsfrist sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahrs des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt. Diese Vorschrift zur Berechnung der Kündigungsfrist wurde durch den EuGH gekippt.

Klage vor dem EuGH wegen falscher Berechnung der Kündigungsfrist
Der Entscheidung des EuGH lag die Klage einer Frau zugrunde, die im 18. Lebensjahr von einem Essener Unternehmen angestellt worden war. Der Arbeitgeber kündigte der Arbeitnehmerin mit Schreiben vom 19. Dezember 2006 zum 31. Januar 2007. Damit war die Berechnung der Kündigungsfrist unter der Vorgabe des § 622 Abs. 2 BGB korrekt, da die vor ihrem 25. Geburtstag liegenden Beschäftigungsjahre gemäß § 622 Abs. 2 S. 2 BGB nicht zu berücksichtigen waren.

Die Arbeitnehmerin erhob zunächst Kündigungsschutzklage, da sie der Ansicht war, dass diese Vorschrift zur Berechnung der Kündigungsfrist europarechtswidrig sei und die Kündigung aufgrund ihrer zehnjährigen Betriebszugehörigkeit erst zum 30. April 2007 wirke.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Auf die Berufung des Arbeitgebers hin legte die zweite Instanz, das Landesarbeitsgericht Düsseldorf, die Sache dem EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren vor.

Entscheidung des EuGH zur Berechnung von Kündigungsfristen
Der Europäische Gerichtshof ist mit seinem Urteil der Ansicht der Arbeitnehmerin gefolgt und stellte fest, dass § 622 Abs. 2 S. 2 BGB gegen das europäische Gleichbehandlungsgebot und die Antidiskriminierungsrichtlinie 2007/78 verstößt. Die Vorschrift in § 622 Abs. 2 S. 2 BGB verlängere für alle Arbeitnehmer, die schon vor ihrem 25. Geburtstag beim Arbeitgeber beschäftig waren, die Kündigungsfristen, unabhängig davon, wie alt sie bei ihrer Entlassung seien.

Darüber hinaus benachteilige die Regelung Arbeitnehmer mit kurzer Berufsausbildung, die schon alleine aus diesem Grund in jungen Jahren eine Tätigkeit aufnehmen, gegenüber Arbeitnehmern mit längerer Berufsausbildung. Deshalb müsse die Regelung des § 622 Abs. 2 S. 2 BGB zur Berechnung von Kündigungsfristen wegen Altersdiskriminierung als europarechtswidrig eingestuft werden.

Deutsche Regelung zur Kündigungsfrist ist nicht mehr anzuwenden
Da deutsche Gerichte verpflichtet sind, in Zivilprozessen die Beachtung europäischer Altersdiskriminierungsverbote sicherzustellen, ist die Regelung des § 622 Abs. 2 S. 2 BGB zur Berechnung von Kündigungsfristen nicht mehr anzuwenden.

Arbeitgeber sollten daher beachten, dass sich die gesetzlichen Kündigungsfristen für Arbeitnehmer, mit einer Beschäftigungsdauer von mindestens zwei Jahren, sich jetzt allein aus § 622 Abs. 2 S. 1 BGB ergeben.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass vergleichbare Regelungen – zum Beispiel in Tarifverträgen oder auch Punktetabellen in Sozialplänen – von der Rechtsprechung ebenfalls als unwirksam eingestuft werden könnten.