Das Charisma des Barack Obama

Wer in der Beliebtheitsskala ganz oben sitzt, für den gibt es oft nur einen Weg: den nach unten. Hat Barack Obama im Laufe der letzten Monate an Charisma verloren? Ist es überhaupt möglich, dass Charisma nachlässt? Oder hat Obama die gleiche Ausstrahlung wie zu Beginn, als er zum Präsidenten der Herzen wurde?

Nun ist es über ein Jahr her, dass Barack Obama zum Präsidenten der USA gewählt wurde und ich frage mich, ob er heute immer noch als so charismatisch wahrgenommen wird. Sicherlich werden viele seiner Anhänger der Meinung sein, dass Obama nach wie vor nichts von seinem Charisma eingebüßt hat. Jedoch wird es auch andere Meinungen geben. Und das stellt mich vor die Frage: Kann man Charisma verlieren?

Obama: Der Präsident der Herzen
Kleine Rückblende: Frühjahr / Sommer 2008. Ein junger, unbekannter, afroamerikanischer Mann tritt als Kandidat gegen die als charismatisch bekannte Hilary Clinton an und gewinnt gegen sie. Barack Obama war die Überraschung des Jahres. Und strategisch geschickt hat Obama sein Charisma weltweit für sich wirken lassen. Noch vor seiner offiziellen Wahl, war Obama bereits Präsident der Herzen.

Obama: Der Präsident der Worte
Einige Monate später versuchen seine Gegner ihn mit System zu demontieren. Und er gibt auch immer wieder Anlass. Man hört Klagen, Obama würde nach wie vor mehr durch seine Rhetorik denn durch seine Taten wirken, man wirft ihm mangelnde Entschlusskraft vor, seine zögerlichen Entscheidungen im Afghanistan-Konflikt gereichen Obama von allen Seiten zum Vorwurf. Die Frage wird laut: Ist Obama am Ende ein Präsident der Worte?

Obama: Der Präsident der Erwartungen
Vielleicht waren die Erwartungen an einen wie Obama von Beginn an schon zu hoch. Ein Wundertäter hätte er sein müssen, um allen Wünschen gerecht zu werden. Es konnte also kaum eine Steigerung der "Obamanie" geben, nur einen Weg nach unten. Obama selber trägt kaum Schuld an diesem Umstand.

Er hat sich zwar nicht gewehrt gegen die Zuschreibungen, aber er hat sie auch nicht mehr begünstigt, als es statthaft gewesen wäre. Immerhin hat seine Frau, Michelle Obama, im Vorfeld darauf hin gewiesen, dass man ihren Mann nicht wählen solle, weil man ihn sexy findet.

Obama: Der Präsident der Gelassenheit
Irgendwann müssen unrealistische Vorstellungen im Tagesgeschäft der Politik einem realistischen Maß weichen. Am wenigsten dürfte Obama selber über diesen Umstand überrascht sein. Als Charismatiker ist Obama sicherlich gewohnt, überschätzt zu werden. Denn Charisma wirkt häufig auf Menschen wie ein glamouröses Versprechen.

So dichten Menschen einem wie Obama gerne ihre geheimsten Träume an. Denn die charismatische Rhetorik an sich unterstützt diese Illusionen. Und weil Obama offenbar dieses Zeremoniell kennt, geht er recht gelassen mit dem vermeintlichen Charisma-Verlust um.

Obama: Präsident in Menschengröße
Bleibt nur die Frage, ob es sich im "Fall Obama" um einen tatsächlichen Charisma-Verlust handelt. Ich meine: Nein. Denn nach wie vor verfügt er über eine große Ausstrahlung. Und wenn man sich die Charisma-auslösenden Faktoren im Einzelnen betrachtet, punktet Obama nach wie vor in fast allen Bereichen.

Nur fehlt im Tagesgeschäft inzwischen die Distanz, die es der Masse in der Vergangenheit erlaubt hat, Obama auf ein Podest zu stellen. Die Erwartungen an Obama schrumpfen auf ein erträgliches Maß und sein Charisma damit auf Menschengröße.