Smalltalk über Geld, das immer weniger wert ist

Tabu-Thema Nummer eins im Smalltalk ist die Politik. Nummer zwei ist das Geld. Reden Sie trotzdem darüber. Sie müssen ja nicht Ihre eigenen Finanzen offen legen. Oder die Ihres Gegenübers zum Thema machen. Gehen Sie stattdessen einer ungewöhnlichen Theorie auf den Grund!

Wortspiel für Ihren Smalltalk: Die neue Gesell-schaft

Wie findet Ihr Smalltalk-Gegenüber folgende These: Das Übel unserer Wirtschaft liegt im Verhältnis der Menschen zum Geld. Dieser Ansicht war Silvio Gesell. Am 17. März 1762 wurde der Ökonom in Sankt Vith geboren. Damals war das Eifelstädtchen preußisch. Heute gehört es zu Belgien. Gesell wollte der Wirtschaft eine Radikalkur verordnen. Tenor: "Lösung der sozialen Frage durch Abschaffung des baren Geldes."

So drückte er es der in Berlin ansässigen Vossischen Zeitung gegenüber aus. Doch wie würde diese Gesell-schaft aussehen?

Eine kühne Smalltalk-These: Soll das Geld verfaulen?

Abschaffung des Geldes? Wie sollte das denn gehen, bitteschön? Solche Einwände werden jetzt wohl aus der Smalltalk-Runde kommen. Zumindest entwerten wollte Gesell das "tausendmal verfluchte" Kapital. Letzteres war für ihn totes Kapital: Geld, dessen Zins auch ohne Arbeit Gewinne einfuhr.

Eine Inflation wollte Gesell keineswegs. Diese hätte nur zu panischen Reaktionen geführt. Gesell wollte negative Sparzinsen einführen. Dadurch sollte das auf der Bank liegende Geld allmählich an Wert einbüßen. Es verlöre gegenüber der Ware den Vorteil, nicht mehr vergammeln zu können.

Praktisches Beispiel für Ihren Smalltalk

Zu kompliziert für Ihre Smalltalk-Runde? Erläutern Sie die Theorie an einem Beispiel: Wer auf Gesells Bank am 1. Januar 100 Euro einzahlen würde, hätte am Jahresende nur noch 95 oder 90 übrig. Ein solcher Schwund ist vergleichbar mit dem Verlust, den eine Ware durch Lagerung erleidet. Auf diese Weise wollte Gesell Konsumanreize schaffen.

Einher mit der Geld- ging bei Gesell eine Bodenreform. Jedem Individuum sollte nur so viel an Grund zugeteilt werden, wie er selbst bewirtschaften konnte. Niemand durfte auf Kosten anderer leben. Gesell sah sich nicht als Marxist. Sondern als Freiwirtschaftler: Allerdings müsste der Markt zuvor von Monopolen und Kartellen bereinigt werden. Die zementieren bestehende und schaffen neue Ungleichheit. Gesell rechnete zwei Jahrzehnte ein, um sein Modell zu verwirklichen.

Auch interessant für den Smalltalk: Was wurde aus Gesell und seinem Modell?

Tatsächlich bekam Gesell eine Chance zur Erprobung. Leider nur eine Woche lang: Dann war das Experiment der Münchner Räterepublik auch schon wieder zu Ende. Immerhin hatte es Gesell Anfang April 1919 dort zum Finanzminister gebracht!

Die Vossische Zeitung resümierte nicht ohne Bedauern: "Gesell wurde in Fachkreisen nicht ganz ernst genommen." Da ist er in guter Gesellschaft. Auch die Warner vor der jüngsten Banken- und Wirtschaftskrise und einer Gefährdung des Euro wurden in Fachkreisen lange Zeit nicht ganz ernst genommen. Oder wie sieht Ihr Smalltalk-Gegenüber die Sache?