Fehlende Nachlassplanung – Folgenschwere Ignoranz

Nur eines ist im Leben wirklich sicher – irgendwann werden wir sterben. Die einen früher, andere später. Laut aktuellen Statistiktabellen liegt die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland im Moment bei gut 80 Jahren, wobei die Frauen traditionell zwei bis drei Jahre mehr Lebenserwartung mitbringen als die Männer. Leider richtet sich der individuelle Einzelfall nur selten nach der Statistiktabelle. Schwere Erkrankungen wie Krebs und AIDS, plötzliche Schlaganfälle und Herzinfarkte, tödliche Verkehrsunfälle und auch „normale“ Todesfälle gehorchen keinen Jahreszahlen, die Statistiker und Versicherungsmathematiker errechnet haben.

Wenn wir doch eigentlich alle wissen, dass es irgendwann mit jedem von uns ein Ende hat, warum beschäftigen wir uns dann nicht mit den daraus resultierenden Konsequenzen für die Angehörigen und Hinterbliebenen?

Ist es die allgemeine Angst vor dem Tod? Verdrängen wir die eigene Sterblichkeit und wollen durch die Formulierung eines Testamentes nicht auch noch deutlich daran erinnert werden? Oder eine gewisse Gleichgültigkeit, ist doch nach dem eigenen Ableben sowieso alles egal? Vielleicht ist es ja auch die Hoffnung, dass es uns ja jetzt noch nicht trifft – wir also noch genügend Zeit haben, die wesentlichen und uns am Herzen liegenden Dinge zu regeln. Wie bereits erwähnt werden wir ja alle mindestens 80, Tendenz steigend.

Häufig ist es wie mit einer geplanten Diät. „Ab morgen mache ich fdh“. Oder der halbherzige Versuch, das Rauchen aufzugeben. “Eine Schachtel noch, dann höre ich auf.“ Wir alle wissen, dass aus diesen guten Vorsätzen in der Mehrzahl der Fälle nichts wird. Die Waage zeigt auch Wochen später keine nennenswerte Veränderung, die Hosen sitzen immer noch etwas stramm und aus der letzten Schachtel Zigaretten ist zwischenzeitlich mindestens eine Stange geworden.

Welche individuellen Gründe auch immer die Untätigkeit entschuldigen sollen, die meisten Menschen in Deutschland versterben, ohne ein Testament hinterlassen zu haben. Gut 70 Prozent von uns haben keinen letzten Willen verfasst. Mit dieser Quote stehen wir übrigens nicht allein da, auch in den USA beispielsweise liegt der Wert in ähnlicher Größenordnung. Von den erstellten Testamenten wiederum sind erfahrungsgemäß 90 Prozent durch formale Fehler ungültig oder gehen am eigentlich gedachten Zweck vorbei. Letztlich verbleibt nur ein verschwindend geringer Anteil an verfassten, gültigen und sinnvollen Testamenten.

Die deutliche Mehrheit in Deutschland verstirbt also, ohne ein Testament oder einen Erbvertrag hinterlassen zu haben. Häufig ist ein Testament auch gar nicht nötig. Nämlich dann, wenn die gesetzliche Erbfolge, die in Ermangelung einer letztwilligen Verfügung zu Anwendung kommt, genau den Wünschen und Regelungszielen der Erblasser entspricht. Da sich die Menschen jedoch nicht detailliert informieren, welche Auswirkungen die gesetzliche Erbfolge für den individuellen Einzelfall eigentlich genau mit sich bringt, in der Regel eher ein diffuses Verständnis von Erbrecht vorherrscht und man meint „so müsse es ja sein“, tritt der Zufall an die Stelle der geplanten und durchdachten Strategie. Und der Zufall erweist sich meist als schlechter Berater.

„Ich wollte schon immer mal alles zusammenstellen.“  „Wir müssen auch mal ein Testament machen.“  „Soll ich jetzt schon Vermögen abgeben?“  „Was ist eigentlich mit mir, wenn Dir morgen etwas passiert?“  „Was passiert mit der Ferienwohnung in Spanien?“  „Können wir im Falle des Falles der Schwiegertochter trauen?“

Sätze und Fragestellungen, wie sie viele von uns schon ausgesprochen oder zumindest gedacht haben.

Das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) hat vor einigen Jahren eine repräsentative Umfrage in Deutschland durchgeführt. Danach lassen 88% der Deutschen sich „bei Entscheidungen bezüglich des Erbes von niemandem hineinreden“. Glauben doch auch rund 60% der befragten Personen, „bezüglich ihrer Erbschaft alles exakt geregelt zu haben“.   Zahlen, die angesichts der oben genannten Testaments-quoten verwundern. Nicht überraschend ist daher die Tatsache, dass es im Bundesdurchschnitt bei jeder zweiten Erbschaft zu Streitigkeiten kommt, mit steigender Tendenz.

Lediglich ein Viertel der im Rahmen dieser DIA-Studie befragten Personen plant, das „Vermögen weitgehend selbst aufzubrauchen, ohne auf die Erben Rücksicht zu nehmen“.

Die essentielle Frage „Wissen Sie, was mit Ihrem Vermögen geschieht und wie es um die Versorgung Ihrer Hinterbliebenen bestellt ist, wenn Sie morgen versterben sollten?“ kann kaum jemand beantworten. Das verwundert aufgrund der vorhandenen Trägheit und Beratungsresistenz kaum. Andererseits sind im Rahmen der Vermögens-nachfolge häufig genannte Ziele der Vermögensinhaber genau die Kernpunkte dieser Fragestellung:

Absicherung des Partners und nahe stehender Personen, Streitvermeidung, Minimierung der Erbschaftsteuer, Problemlose Verteilung des Nachlasses, Sicherung der Unternehmenskontinuität, ausreichende Liquidität für Erbfallkosten und Erbschaftsteuer zur Verfügung stellen, Vorsorge für Krankheit & Pflege, finanzielle Unabhängigkeit im Alter, etc. .

Wie sagte doch ein guter Bekannter, der gerade kürzlich die Firmenübergabe vom Senior auf die beiden Kinder umfassend geregelt hat: „Jeder muss sich mal für eine Stunde oder zwei mit dem Thema beschäftigen.“

Und wenn wir uns doch fast alle schon einmal mit der eigenen Sterblichkeit befasst haben, als wir die Lebensversicherung zur Absicherung der nahen Angehörigen abgeschlossen haben, als wir bei der Bank die „Kontovollmacht über den Tod hinaus“ unterschrieben haben, dann sollte es uns doch eigentlich nicht schwer fallen, an dieser Stelle wieder anzuknüpfen, den Faden gedanklich wieder aufzunehmen und den Eventualfall im Detail zu analysieren und zu planen.

Und dabei werden wir feststellen, dass man durch das Errichten eines Testamentes nicht am nächsten Tag verstirbt. So wie der Abschluss einer Unfallversicherung keinen schweren Verkehrs- oder Sportunfall nach sich zieht.

Wir werden feststellen, dass sich ein Testament jederzeit widerrufen, modifizieren und an die sich laufend ändernden persönlichen und familiären Umstände anpassen lässt. Und wir bekommen ein wenig „Übung“ in diesem sensiblen, oft verdrängten aber doch unglaublich wichtigen Thema.

Wir müssen anfangen!