Kinästhetik – Nach dem Grundkurs weiter machen

Kinästhetik ist fester Bestandteil der Pflegeausbildung und wird als Baustein in der Fort- und Weiterbildung angeboten. Allerdings sind die Erfolge in der praktischen Umsetzung eher bescheiden. Häufig fehlt es an einem konsequenten Implementierungskonzept. Der Artikel gibt ein paar Anregungen.

Beziehungsgestaltung – Gemeinsame Bewegung

Genaugenommen sind die zentralen Aussagen der Kinästhetik Ergebnis des Studiums der menschlichen Bewegung. Kinästhetik in der Pflege ist keine Technik. Vielmehr ist das "Sich-Bewegen" nach kinästhetischen Prinzipien ein Beziehungsgestaltungsprozess, bei dem beide Beteiligten voneinander lernen und sich zusammen weiter entwickeln. Es ist die Kombination von Kommunikation und gemeinsamer Bewegung.

Mangelnde Übung

Längst sind Kinästhetik-Kurse fester Bestandteil der Pflegeausbildung und sie werden immer wieder im Rahmen der Fort- und Weiterbildung angeboten. Man sollte glauben, dass sich die entsprechenden Bildungsinhalte dann auch im praktischen Alltag wieder finden. Doch weit gefehlt. Oft verpufft das Erlernte und nur selten finden sich Pflegeteams, die das Gelernte konsequent anwenden.

Ähnlich wie beim Tanzen braucht es aber zur flüssigen und stimmigen Bewegung vielfacher Wiederholungen und Übungen. Da reicht ein einfacher Kurs nicht aus und wenn das Ganze nicht weiter gepflegt und trainiert wird, verlernt man sogar die Grundschritte. Speziell für die Altenpflege muss man feststellen, dass sich die Pflegekräfte sehr schwer tun, die in den Kursen erworbenen Grundkenntnisse weiterzuentwickeln.

Nur knapp 50 Prozent der in Pflegeheimen arbeitenden Pflegekräfte haben überhaupt eine qualifizierte Ausbildung. Kommen sie voller Elan aus einem  Kinästhetik-Kurs stoßen sie auf vielfältige Barrieren.

Ursachensuche: Woran fehlt es?

Auf der Ebene der Strukturqualität fehlt es an Übungsraum und Zeit. Materialien wie Übungsbetten und Lagerungshilfsmittel stehen nicht zur Verfügung. Hinsichtlich der Prozesse ist ein uneinheitliches Vorgehen der unterschiedlichen Interaktionspartner der Bewohner zu beobachten.

Eine über den Kurs hinausgehende  fachliche Begleitung fehlt ebenfalls. Im Ergebnis ist der Bewohner verunsichert und Pflegende verlieren den Mut. Aber ohne Übung und gemeinsame Abstimmungsprozesse geht es nicht. Was kann getan werden?

Gemeinsame Inhouse-Schulungen der Teams

Zunächst einmal sollten nicht einzelne Mitarbeiter in der Kinästhetik fortgebildet werden, sondern ganze Teams. Als Nebeneffekt könnten sich auch Verbesserungen der Teamentwicklung ergeben. Alle sollten auf den gleichen Stand gesetzt werden, damit sich auch die Bewohner darauf einstellen können. Denn ein einheitliches Vorgehen bei den Transfers von Bewohnern schafft Vertrauen und bringt Sicherheit.

Übungsraum und Übungszeit

Des Weiteren brauchen die Mitarbeiter dann nach einem gemeinsamen Kurs ausreichend Gelegenheit, weiter einzuüben und Problemfälle zu analysieren. Ein spezieller Übungsraum würde das ganz besonders unterstützen. Aber es sollten, besonders nach einem gemeinsamen Kurs, eine Zeitlang verpflichtende Übungszeiten für die Teammitglieder festgesetzt werden.

Ausreichend Materialien und Kooperation

Natürlich brauchen die Mitarbeiter für die Übung der Kinästhetik mindestens ein Übungsbett und auch einige gängige Lagerungshilfsmittel sollten bereitgestellt werden. Vielleicht lässt sich hier in Kooperation mit einem Sanitätshaus einiges bewerkstelligen. Neuartige Hilfsmittel könnten erprobt werden. Eine gute Möglichkeit des Feedbacks für das Sanitätshaus.

Begleitende, komplementäre Maßnahmen

Im Vergleich zu Ergo- oder Physiotherapeuten ist der "Bewegungssinn" bei Pflegekräften weniger ausgebildet. Gleichwohl sind das Maß und die Art der richtigen Bewegung von besonderer Bedeutung für die Gesundheit der Pflegekräfte, die ja immer wieder und bis zum Rentenalter Transferleistungen beim Pflegebedürftigen vornehmen müssen. In diesem Sinne können Betriebssport und Tanzen oder regelmäßige Fitnessangebote den Prozess fördernd begleiten.

Information der Angehörigen und Bewohner

Wenn ein ganzes Team nun andersartige Formen der Bewegungsförderung und der Bewohnertransfers durchführt, dann sollten hier auch die Angehörigen und die Bewohner selbst gut informiert und unterrichtet werden. Vielleicht ein Thema für einen Angehörigenabend, der dann mal einen ganz anderen, mit kleinen Vorführübungen garnierten "Touch" erhält.

Begleitung durch Trainer

Sinnvoll erscheint auch eine vorübergehende Begleitung und Evaluation durch Kinästhetik-Trainer, die zum Beispiel bei besonders problematischen Fällen beraten. Wenn es gelingt, in der eigenen Einrichtung einen solchen Trainer auszubilden, wäre das für alle Beteiligten ein besonderer Gewinn.

Bestandteil von Fallbesprechungen

Langfristig könnten kleinere Übungssequenzen beispielsweise auch im Kontext von Fallbesprechungen stattfinden. Wenn sich gescheiterte, gemeinsame Versuche bei einem Bewohner als Herausforderung darstellen, kann die Lösungssuche als "Fallbesprechung" durchaus praktisch durchgeführt werden. Sogar die Dokumentation mittels Handy-Kamera ist denkbar.

Nur durch solche und ähnliche, weiterbegleitende Maßnahmen nach den Kinästhetik-Kursen lassen sich nachhaltige Erfolge sicherstellen.