Mit Taktgefühl zu mehr Ausstrahlung

Taktgefühl scheint eine etwas in die Jahre gekommene Eigenschaft zu sein, denn wir treffen sie nur noch selten an. Taktgefühl ist wohl einfach nicht mehr modern. Aber jeder Mensch mag andere Menschen dann besonders, wenn sie über Taktgefühl verfügen. Was also ist so schwierig daran, dass wir es zwar alle mögen, selber aber selten darüber verfügen? Julia Sobainsky macht sich Gedanken.

Taktgefühl umschreibt die menschliche Fähigkeit zu bemerken, wann ein Verhalten angemessen ist und wann nicht. Es beschreibt, wie man mit anderen Menschen auf eine Weise Kontakt halten kann, ohne ihnen zu nahe zu treten oder gar verletzend oder brüskierend zu sein. Im Alltag erleben wir häufig anderes: Da werden unter dem Deckmäntelchen der Ehrlichkeit Unverschämtheiten verteilt, Menschen treten anderen Menschen unangemessen nah und Entschuldigungen gibt es schon gar nicht.

Taktgefühl und Alltag

Stellt sich die Frage: Sind wir alle emotional eingeschränkt? Haben wir keine Möglichkeit zu spüren, wann welches Verhalten angebracht ist, oder wollen wir uns einfach nicht die Mühe machen? Taktgefühl kostet uns Aufmerksamkeit – mehr eigentlich nicht. Aber offenbar ist dies vielen Menschen schon zu viel des Guten. Im Alltag erlebt jeder von uns den Mangel an Taktgefühl zwar als unangenehm, aber Hand aufs Herz: Lassen Sie sich immer von Ihrem Taktgefühl leiten?

Taktgefühl im Job

Der Kollege kommt aus der Kantine und hat einen gar nicht so kleinen Kaffeefleck auf dem Hemd. „Na Heinz, hast du dein Lätzchen heute vergessen?“, höhnt der andere Kollege. Taktgefühl wäre schön, aber solche Reaktionen werden als Spaß verkauft. Dass der Kunde im Vorzimmer mitgehört hat, bleibt offenbar unerheblich.

Oder mein Besuch im Autohaus vergangene Woche. Eine Neuwagenbestellung, die etwas Zeit in Anspruch nimmt. Der Kollege im Nebenraum hat die Türe offen. Er sitzt ohne Wand ca. 3 Meter von mir als Kundin entfernt. Ich höre seine lautstarken Telefonate (inklusive Kraftausdrücke) und danach reichlich unterschiedliche Körpergeräusche. Ich überlege zu gehen.

Taktgefühl ist keine Kunst.

Sollte man meinen. Es erfordert eigentlich nur ein ganz klein wenig Aufmerksamkeit darauf, welche Menschen im Umkreis sind, was diese Personen denken und wie sie sich fühlen, wenn sie mit uns selber zu tun haben. „Wie wünsche ich mir, dass sich andere verhalten?“ – wenn wir uns regelmäßig diese Frage stellen, ist sicherlich an Taktgefühl im Alltag einiges dazu gewonnen. Aber auch hier mag es Menschen geben, denen die anderen einfach völlig egal sind. Aber selbst denen sollten wir Rücksichtnahme und Taktgefühl vorleben.

Taktgefühl und Ausstrahlung

Übrigens werden Sie kaum eine ausstrahlungsstarke Person finden, der es an Taktgefühl mangelt. Wer über Ausstrahlung verfügt, ist meist im eigenen Verhalten auch recht reflektiert. Dem ist es nicht egal, was andere von ihm halten, und ob sie sich in seiner Gegenwart wohl oder unwohl fühlen. Ich kann also nur an uns alle appellieren, der altmodischen Eigenschaft „Taktgefühl“ ein klein wenig mehr Raum im Alltag zu geben.

Ihre
Julia Sobainsky

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