Oberlehrer: Dieses Verhalten wirkt als Charisma-Killer

Manchmal sehen wir, wie ein anderer Mensch Fehler macht. Und wir möchten behilflich sein und ihn vor unangenehmen Folgen retten. Aber was passiert? Die freundlich gemeinten Hinweise werden fehlinterpretiert und missverstanden. Statt Dank bekommen wir Besserwisserei unterstellt. Oder ist doch vielleicht alles ganz anders? Julia Sobainsky gibt Tipps zur Ausstrahlung und Besserwisserei.

Ein wirklich schöner Mann. Und so charmant! Ich bin wirklich betört. Ein Kerl mit Ausstrahlung auf den ersten Blick – von dieser Sorte gibt es nicht viele. Aber während wir uns angeregt auf der Veranstaltung unterhalten, auf der wir uns kennengelernt haben, überkommt mich der Verdacht, dass diese Ausstrahlung brüchig ist, ein Blendwerk, ein Fake. Denn während des Gespräches werde ich ständig verbessert.

Viel zu wissen ist eine Tugend

Selten habe ich mich so dumm gefühlt. Ja, dieser Mensch weiß eine Menge. Und natürlich ist ein Gespräch mit ihm recht interessant. Aber warum, in aller Welt, hat er es nötig, ständig zu demonstrieren, wie klug er ist? Zuerst überkommt mich ein minderwertiges Gefühl, danach eines von Wut und zu guter Letzt eines von Mitleid. Ich werfe noch einen nachsichtigen Blick auf meinen Gesprächspartner und entschuldige mich. Selten hat mir jemand so sehr sein Wissen vorgeführt.

Mit seinem Wissen hausieren zu gehen, ist lästig

Aus einer anderen Ecke des Raumes verfolge ich meinen ehemaligen Gesprächspartner noch einmal mit dem Blick: Für mich hat er jede Ausstrahlung eingebüßt. Mein Kopf ist inzwischen wieder klar und mir fällt auf, dass sein vermeintliches Wissen nicht einmal immer richtig war.

Zum Teil gab es nur seine Meinung wieder. Mich hat so viel Dreistigkeit einfach sprachlos gemacht. Das ist vielleicht auch besser so, denn wer weiß, ob es nicht zu einer Auseinandersetzung gekommen wäre, hätte ich mit ihm diskutiert.

Besserwisser machen sich unbeliebt

Nun ist es aber auch mir schon so gegangen, dass ich beobachten konnte, wie sich jemand anderes offensichtlich fehl verhielt. Und natürlich haben wir alle in solchen Momenten den Impuls zu verbessern, zu helfen, vor schlimmen Folgen zu bewahren. Dennoch: Wenn es sich nicht um sehr gute Freunde oder Verwandte handelt, würde ich dringend dazu raten, diesem Impuls zu widerstehen. Denn was dabei herauskommt, nutzt keinem etwas.

Feedback nur mit Absprache

Zum einen stelle ich den Gerügten als Trottel hin, wenn ich ihm öffentlich seine Fehler vorführe. Das mag keiner und die Reaktionen werden entweder spitz ausfallen, oder man wird meinen Hinweis ignorieren. Auf jeden Fall wird der andere nicht dankbar meine „hilfreichen Korrekturen“ annehmen.

Zum anderen stelle ich mich selber in diesem Moment ins Licht des unsensiblen Besserwissers. Und ob mir diese Rolle gut zu Gesicht steht, bleibt auch zu bezweifeln. Feedback sollte nur erfolgen, wenn die Erlaubnis dazu besteht. Die muss man sich explizit holen.

Der Ton macht die Musik

Und selbst dann, wenn ich mir die Erlaubnis zum Feedback mit einem freundlichen „darf ich Ihnen ein Feedback geben“ oder „legen Sie auf meine bescheidene Meinung wert“ eingeholt habe, gilt es noch einiges zu beachten, sollte die Antwort mit „Ja“ ausfallen.

Tipps für konstruktives Feedback

  • Stellen Sie sich vor, wie sich das Feedback anhören soll, dass Sie selber bekommen. Der Ton, auf den Sie Wert legen, den sollten Sie im Gespräch benutzen.
  • Feedbacks, die in irgendeiner Weise kompromittierend sein könnten, immer nur im 4-Augen-Gespräch geben.
  • Formulieren Sie so, dass der andere es sich annehmen kann.
  • Bleiben Sie konstruktiv, machen Sie Verbesserungsvorschläge.
  • Bringen Sie Ihr Feedback so kurz wie möglich vor.
  • Nennen Sie immer konkrete Beispiele.
  • Vermeiden Sie Verallgemeinerungen wie „immer“, „alle“ und „nie“.

So sollten Sie Ihren Gesprächspartner „retten“ können, ohne ihn zu kompromittieren oder Ihr eigenes Gesicht zu verlieren.

Ihre
Julia Sobainsky

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