Ich verzeihe dir, weil ich mich liebe…

Im Streit und in Konfliktsituationen entstehen vielfach starke Gefühle, an denen wir längerfristig festhalten. Wut und Groll führen zu anhaltender Stagnation und dem Beibehalten eines Unwohlseins. Die Praxis des Verzeihens kann hier Abhilfe schaffen, wenn sie achtsam angewandt wird.

Mit Trauer und Wut umgehen

Verletzte Gefühle und daraus resultierende Sekundärgefühle wie Trauer und Wut haben die Neigung sich im Körper zu manifestieren und steckenzubleiben, wenn sie nicht gelebt werden. Leider ist es uns nicht beigebracht worden, wie wir am sinnvollsten in Konfliktsituationen mit den Trauer- und Wutgefühlen der anderen Person gegenüber umgehen können.

Ein narzisstisches Gekränktsein oder ein hilfloses Kindschema tritt dann vielfach auf und es wird gehofft und erwartet, dass die Gegenseite erkennt, was sie einem angetan hat und sie solle sich gefälligst entschuldigen. Üblicherweise funktioniert das aber so nicht, weil auf trotzigen Rückzug und Schmollen wenig Mitgefühl des Konfliktpartners folgt.

Klassisch sieht die Folge dann dahingehend aus, dass beide Seiten sich zurückziehen, jeder sich abkapselt und für sich den unausgesprochenen Vorwurf in sich trägt, dass der andere kommen und sich entschuldigen sollte: "Ich bin nicht schuld." So werden jedoch keine Konflikte gelöst. Letztlich leiden beide in dieser Situation und es gibt scheinbar keinen Ausweg.

Zusätzlich entsteht oft auch die Idee, einen Gesichtsverlust zu erleiden, indem man den Schritt auf den anderen zugeht. Es könnte als ein Zeichen von Schwäche oder Unterwerfung betrachtet werden, so glauben wir oft.

Auf den anderen zugehen

Einen Schritt auf den anderen zuzugehen ist kein Zeichen von Schwäche sondern von Stärke. Es benötigt zum einen Rückgrat und zum anderen eine klare Positionierung. In der Kontaktaufnahme wird ja nicht vermittelt, dass Sie das Verhalten des anderen gutheißen, sondern nur dass Sie nicht (mehr) bereit sind wegen ihm oder ihr zu leiden. Das ist eine klare Entscheidung für die eigene Person und als Akt der Selbstliebe zu betrachten. Mit einem klaren Statement, dass das Verhalten des anderen nicht gut gefunden wird, aber die Beziehung oder die Person an sich wichtig und wertvoll ist, kann ein Geschenk für beide Seiten gemacht werden.

Wenn Wünsche und Bedürfnisse dem Konfliktpartner klar unterbreitet werden, kann dieser auch mehr und mehr Orientierung finden und die entgegengestreckte Hand ergreifen oder auch nicht. Gegebenenfalls ist eine Konfliktlösung und eine Deeskalation unter diesen Umständen jedenfalls wahrscheinlicher als durch schmollenden Rückzug in der Ecke.

Außerdem ist es ein wesentliches Geschenk, das man sich selber in dieser Situation machen kann. Indem die Last des Grolls, der Wut oder Trauer losgelassen wird und indem ein Schritt auf den anderen zugegangen wird, steigert sich definitiv auch wieder das Wohlbefinden und ein Gefühl der Erleichterung und inneren Harmonie kann sich wieder einstellen.