Lötzinn ist Blödsinn? Die RoHS, bleifreies Lötzinn und Ihre Gesundheit

Weichlöten ist für viele Hobby-Bereiche unabdingbar. Ob es sich um das Herstellen elektrischer Verbindungen oder das Verlöten von Messingmodellen handelt, Elektriker, Elektroniker, Modellbauer und Modellbahner sind ohne profunde Praxiskenntnisse zum Löten aufgeschmissen. Dabei sollte jedoch auch auf die Gesundheit und die gesetzlichen Vorgaben der RoHS-Richtlinie geachtet werden.

Was genau ist die RoHS?

Am 1. Juli 2006 trat in Europa und China das Stoffverbot der RoHS-Richtlinie in Kraft. RoHS ist die Abkürzung von "Restriction of the use of certain hazardous substances in electrical and electronic equipment" (dt. "Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten").

Ziel dieser Richtlinie ist, problematische Bestandteile aus elektrischen und elektronischen Artikeln zu verbannen. Dazu gehört unter anderem, die bleifreie Verlötung elektronischer Bauteile durchzusetzen und giftige Flammhemmer bei der Herstellung von Kabeln zu verbieten.

Des Weiteren müssen gemäß RoHS auch die verwendeten Bauteile und Komponenten frei von giftigen Stoffen sein. Sie finden daher diese Abkürzung immer häufiger auf elektrischen und elektronischen Geräten, die gemäß der EG-Richtlinie 2002/95/EG zum Verbot bestimmter Substanzen bei der Herstellung und Verarbeitung von elektrischen und elektronischen Geräten und Bauteilen produziert werden.

Die EG-Richtlinie ist mit dem deutschen Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) vom 16. März 2005 auch deutsches Recht geworden und somit sind maximal zulässige Konzentrationsgrenzwerte für die verbotenen Stoffe festgelegt. Der Grenzwert für Cadmium liegt bei 0,01 Gewichtsprozenten und für die anderen in der RoHS regulierten Stoffe bei 0,1 Gewichtsprozenten.

Die RoHS und die tatsächliche Bedeutung für Hobby-Elektroniker und Modellbahner

In vielen Publikationen wurde und wird die RoHS bezüglich des Weichlötens schlicht mit der Schlagzeile "Aus für bleihaltiges Lot" beschrieben. Davon abgesehen, dass dies als Beschreibung nun wirklich etwas kurz greift, ergeben sich aus der Vereinfachung auch viele Halb- und Unwahrheiten, die Hobbyisten am Lötkolben irritieren und verärgern. Nachfolgend daher die wichtigsten Punkte, die Sie zum Thema Löten und RoHS-Richtlinie wissen sollten:

  • Weichlöten dient dem Zweck, eine leitfähige und stoffschlüssige Verbindung herzustellen. Dabei liegt der Schmelzpunkt des jeweiligen Lotes generell weit unter dem der zu verbindenden Werkstücke. Unter Hobbyisten wird das Lot meist als "Lötzinn" bezeichnet, tatsächlich ist es aber eine Metall-Legierung, die aus Zinn, Blei, Zink, Silber, Kupfer und geringen Anteilen Eisen, Antimon und Nickel bestehen kann, die je nach Verwendungszweck unterschiedlich gemischt werden. Trotzdem ist für Hobbyisten die Bezeichnung "Lötzinn" so falsch nicht, denn das Verbinden von elektrischen Leitungen wird mit einem Weichlot durchgeführt, das einen Zinnanteil von gut 60 Prozent hat. Klar ist: Wenn eine Bleibeimischung vorhanden ist, ist das Lot nicht RoHS-konform.
  • Die RoHS-Richtlinie betrifft Gerätehersteller, nicht Privatleute. Sie dürfen also Ihr vorhandenes Lötzinn bei Lötvorgängen an Ihrer Modellbahn weiterbenutzen, ohne gegen geltendes Recht zu verstoßen. Sogar für professionelle Hersteller und Anwendungen aus den Bereichen Automobil, Medizin, Luft- und Raumfahrt, Messtechnik sowie Kraftwerksbau und Rüstungsindustrie gibt es großzügige Ausnahmeregelungen.
  • In der Verarbeitung ergeben sich beim Einsatz von bleifreiem Lötzinn spürbare Unterschiede für Sie: Bleifreies Lot hat eine geringere Benetzungskraft und erfordert präziseres Arbeiten. Vor allem aber ist eine höhere Löttemperatur erforderlich, da sich im Wesentlichen durch die Blei-Beimengung ein niedriger Schmelzpunkt ergab. Im Vergleich zum Zinn-Blei-Lot ergibt sich beim bleifreien Lot im Mittel je nach Legierung ein um rund 30 bis 40 Grad höherer Schmelzpunkt. Die marktübliche, preiswerte Bleifrei-Legierung Typ Sn-0,7Cu hat einen Schmelzpunkt von 227 °C. In der Praxis wird zur Verarbeitung empfohlen, je nach Legierung eine Lötstation mit einer Temperaturvorwahl von 340 bis 400 Grad zu verwenden.
  • Wenn Sie eine Lötstation mit ausreichend Leistungsreserve (50 bis 80 Watt) einsetzen, ist das Benutzen von bleifreiem Lötzinn mit höherer Verarbeitungstemperatur meist unproblematisch möglich. Lässt sich partout kein zufrieden stellendes Ergebnis erzielen, sollten Sie es mit einer alternativen Lot-Mischung versuchen, die einen höheren Silberanteil hat. Verfügt Ihre Lötstation über Speicherplätze für die Temperaturvorwahl, sollten Sie einen Speicherplatz für Ihre Arbeit mit Bleifrei-Lot einsetzen.
  • Wenn Sie mit einem bleifreien Lot Probleme haben, eine sichere Verbindung herzustellen, sollten Sie zuerst die zu verbindenden Metallwerkstücke mechanisch und chemisch von Oxiden und Sulfiden reinigen. Wichtig ist auch, dass die Oberflächen fettfrei und blank sind.
  • Bleifreies Lötzinn ist teuer, es kostet bis zum Vierfache des bleihaltigen Lots. Die Kaufentscheidung können Sie aber auch zukünftig für private Anwendung frei treffen, denn der Verkauf von Lagerware bleihaltigen Lötzinns ist derzeit keineswegs vollkommen vorbei. Beispielsweise bietet reichelt.de noch Lötdraht bleihaltig/halogenhaltig.

Achten Sie auch beim Löten auf Ihre Gesundheit

Aus Gründen der persönlichen Gesunderhaltung und des Umweltschutzes ist ein Umstieg auf bleifreies Lot auch ganz unabhängig von der RoHS absolut empfehlenswert. Entgegen der landläufigen Meinung ist dabei nicht einmal das mögliche Einatmen von Gasen beim Löten der entscheidende Gefahrenfaktor. Die Übertragung von bleihaltigen Partikeln geschieht viel mehr oral, also beispielsweise, wenn nach dem Arbeiten mit bleihaltigem Lötzinn Nahrungsmittel angefasst und verzehrt werden.

Es empfiehlt sich daher, in der Nähe des Löt-Arbeitsplatzes keine Nahrungsmittel zu platzieren und erst recht nicht zu trinken und zu essen. Behalten Sie sich das den Arbeitspausen vor, die Sie nicht am genau selben Ort vornehmen sollten. Nach jedem Löten ist zudem gründliches Händewaschen eine notwendige Pflichtübung.

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