Sturzfolgen klassifizieren
Der Expertenstandard sieht eine Einteilung der Sturzfolgen in vier Klassen vor:
1) Keine Verletzung | Keine Abschürfungen Verletzungen, Schmerzen | 48% |
2) Kleinere Verletzung | Kleine Quetschungen, Abschürfungen; ohne medizinischen Behandlungsbedarf | 20% |
3) Mäßige Verletzung | Quetschungen, Prellungen, Frakturverdacht, entfernte Drainagen | 27% |
4) Größere Verletzung | Frakturen | 5% |
Die Auswertung einer Sturzstatistik sollte nicht nur die Anzahl von Stürzen in den Blick nehmen, sondern muss weitere Kriterien berücksichtigen. Neben der Frage nach den Sturzzeiten, den Sturzorten usw. gilt es vor allem, die Sturzfolgen zu werten.
Nach Einführung des Expertenstandards wurde in unserer Einrichtung sehr schnell deutlich, dass nicht eine geringe Anzahl der Stürze das Qualitätsmerkmal darstellt. Im Gegenteil, eine höhere Anzahl von Stürzen kann geradezu ein Ausdruck guter Pflegequalität sein; Es wird weniger fixiert und fremdbestimmt. Menschen werden mobilisiert und Bewegung gehört zu einer guten Lebensqualität. Allerdings sollte die Anzahl von Sturzfolgen der Kategorien 3 und 4 möglichst gering sein.
Schwerwiegende Sturzfolgen: Frakturen, Pflegebedürftigkeit, Angst
Etwa 50% der Stürze bleiben ohne körperliche Verletzungsfolgen, Frakturen erleiden etwa 5% der Gestürzten. Die gefürchtetste wie häufigste Sturzfolge gerade bei alten Menschen ist mit über 100000 Fällen pro Jahr der Oberschenkelhalsbruch. Die Behandlungskosten belaufen sich in Deutschland auf über 1 Milliarde EUR pro Jahr. Herzprobleme und Schlaganfälle führen bei 25 – 30% der Patienten nach Krankenhauseinweisung zu Pflegebedürftigkeit, während der Anteil bei Stürzen bei 80% liegt!
Neben Oberschenkelhalsfraktur und Pflegebedürftigkeit ist die Angst vor Stürzen besonders schwerwiegend: Menschen, die einmal gestürzt und gangunsicher sind, ändern die Lebensweise, wagen nicht mehr, ihre vertraute Umgebung zu verlassen und leiten damit eine soziale Isolation und weiteren Muskelabbau ein. 25% der Gestürzten zeigen Symptome eines solchen Post-Fall-Syndroms, welches häufig korreliert mit zunehmender Gangunsicherheit, erhöhtem Sturzrisiko und Depression. Die Betroffenen geraten hier leicht in einen Teufelskreis.
Fazit: Bewegung muss Spaß machen (dürfen)
Pflegerisch vorrangiges Ziel ist weniger die Reduktion der Sturzhäufigkeit. Wichtiger ist die Vermeidung und Behandlung von schwerwiegenden Sturzfolgen. Eine besondere Herausforderung ist es, den Teufelskreis aus Angst, Gangunsicherheit, Fallrisiko und Depression zu durchbrechen.
Hier helfen nicht allein Bewegungsprogramme und die Anwendung kinästhetischer Prinzipien, als vielmehr eine Haltung und Vorbildfunktion von Pflegenden, die zu eigenständiger Bewegung motiviert, auf fixierende Maßnahmen verzichtet und Freude an Bewegung vermittelt.