Freiheitseinschränkende Pflegemaßnahmen vermeiden: Prüfen Sie Alternativen

Viele freiheitseinschränkende Pflegemaßnahmen sind überzogen, da genaue Umstände und Alternativen nicht geprüft wurden. Der Einzelfall muss immer genau geklärt werden. Insbesondere bei Sturzgefahr und Hinlauftendenz lohnt die Suche nach alternativen Pflegemaßnahmen und das Ausprobieren technischer Lösungen. Sehr oft zeigen die Ideen im Kontext von Fallbesprechungen vielversprechende Lösungswege auf.

Freiheitseinschränkende Pflegemaßnahmen verletzen das Grundrecht des Menschen

Freiheitsraubende Pflegemaßnahmen stellen immer einen Eingriff in die Grundrechte des Menschen dar (Grundgesetz, Art. 1, Art. 2, Art. 104). Gründe, die für die „Notwendigkeit“ bzw. als Rechtfertigung freiheitseinschränkender Pflegemaßnahmen vorgebracht wurden, beinhalten:

  • Suizidalität
  • Autoaggression
  • Verweigerung medizinisch notwendiger Eingriffe
  • Selbstgefährdung durch Sturzgefahr
  • Selbstgefährdung durch Hinlauftendenz (Demenz)
  • Fremdgefährdung (Gewalt gegen andere)
  • Störung und Belästigung von Mitbewohnern.

Jeder Einzelfall muss gesondert geklärt werden

In jedem einzelnen Fall möglicher Pflegemaßnahmen ist zu klären, welche Pflegemaßnahmen geeignet sind, um mögliche Gefahren und Schädigungen zu vermeiden. Das bedeutet, dass jeder Fall einzigartig und besonders ist: Manchmal müssen Wege auch erst erprobt werden. Dabei dürfen sich Pflegende von Rückschlägen und Misserfolgen nicht leicht entmutigen lassen. Erst wenn es keine alternativen Pflegemaßnahmen mehr gibt, kann von „Notwendigkeit“ gesprochen werden.

Allerdings reicht die bloße Befürchtung, dass „etwas passieren kann“, nicht aus! Auch im Fall der Störung der Mitbewohner muss die „Zumutbarkeit“ geprüft werden. Manchmal kann Verständnis oder eine Veränderung von Umfeld und Rahmenbedingungen ebenfalls ausreichend sein. Wenn Mitbewohner über mögliche Verhaltensweisen von „auffälligen“ Bewohnern informiert und aufgeklärt werden, kann dies schon viel bewirken.

Letztendlich sollte es das Ziel sein, freiheitsentziehende Pflegemaßnahmen zu vermeiden!

Grenzen der Institution im Einzelfall

In Fällen von massiver Selbst- oder Fremdgefährdung (Suizidalität, Gewaltverhalten) sollten gerontopsychiatrische Expertisen eingeholt werden. Solche Fälle gehören in die Hände von Fachleuten. Gelegentlich muss eine medikamentöse, und damit manchmal auch freiheitseinschränkende, Behandlung erfolgen. Dazu müssen die Bewohner fachkundig und engmaschig beobachtet werden.

Dies kann eine normale Pflegeeinrichtung mit den vorhandenen Pflegemaßnahmen in der Regel allein aus personellen Gründen nicht leisten. Daher muss eine Behandlung im psychiatrischen Fachkrankenhaus erfolgen.

Pflegemaßnahmen bei Sturzgefahr

Ein sehr häufiger Grund für die Beantragung freiheitsentziehender Pflegemaßnahmen ist die Sturzgefahr. Hierzu gibt es bereits im Expertenstandard vielfältige Hinweise. Dabei lohnt es sich, immer wieder darauf zu schauen, welche Medikamente die Bewohner einnehmen und ob mit ihrer Einnahme eine erhöhte Sturzneigung korrespondiert. Die Mobilität der Bewohner sollte auf jeden Fall erhalten und sogar – trotz, ja gerade wegen Sturzneigung – gefördert werden.

In Einzelfällen kann ein sogenannter „Gehfrei“ der Sache dienlich sein. Der Bewohner kann sich in diesem Wagen frei in alle Richtungen bewegen und wird in dem darin befestigten Gurt aufgefangen bzw. er kann sich darin setzen, um Pausen zu machen. Die Mobilitätsförderung allein reicht jedoch oft nicht aus.

Neben entsprechender Calcium- und eiweißreicher Ernährung und bekannten sturzprophylaktischen Maßnahmen ist vor allem zu schauen, wie Sturzfolgeschäden, zum Beispiel durch den Einsatz von Helmen, Ellbogen- und/oder Knieschützern oder Trochanterschutzhosen, minimiert werden können.

Pflegemaßnahmen bei Hinlauftendenz

Ein zunehmend häufiger Grund der Freiheitseinschränkung stellt auch die Hinlauftendenz vieler demenzkranker Menschen dar. Die Schulung von Mitarbeitern in Richtung wertschätzender Kommunikation und Personenzentrierung ist hier besonders wirksam. Der Betreuer des Bewohners sollte zeitnah über alle Probleme auf dem Laufenden gehalten werden und bei Fallbesprechungen hinzugezogen werden.

Ein gutes Wissen über die Lebensgeschichte und Gewohnheiten des Bewohners erleichtert die person- und erlebensorientierte Kommunikation besonders in Krisenfällen. Ebenso wichtig ist die Information an das Umfeld. Mitbewohnerinnen sowie Mitarbeiter anderer Bereiche der Einrichtung sollten Bescheid wissen und im entsprechenden kommunikativen Umgang (Validation) geschult sein. Aber auch die Nachbarschaft und die Polizei sollten im Vorfeld informiert und um Mithilfe gebeten werden.

Technische Lösungen

Darüber hinaus bieten sich vor allem technische Lösungen als alternative Pflegemaßnahmen an. Neben Ortungssystemen und Sensormatten können bauliche Gestaltungen, eine direkte Gartenanbindung oder optische Lösungen zielführend sein.

Nehmen Sie die Anregungen und Vorschläge aus den Fallbesprechungen zum Beispiel im Kontext einer Verfahrenspflegschaft auf! Sie können ihre Handlungsalternativen erhöhen und die Qualitätsentwicklung voran bringen. Hauptsache ist, dass Sie alternative Pflegemaßnahmen ausprobieren.

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