Validation: Umgangsempfehlungen beim „versunkenen Ich“

In der Phase des versunkenen Ichs besteht leicht die Gefahr, dass demenzkranke Menschen in einer reizarmen Umgebung verbleiben oder einem reizüberflutenden Milieu schutzlos ausgeliefert sind. Sowohl die gezielte Nutzung der Talente von Pflegenden als auch die Schaffung eines dieser Phase gerechten Milieus können die Lebensqualität von demenzkranken Menschen verbessern.

Das versunkene Ich eines demenzkranken Menschen zu erreichen, ist nur mit sehr hohem Aufwand möglich. Fernab vom Festland des Normalen, im tiefen "Meer der Verrücktheit" versunken, müssen Pflegende schon sehr viel Aufwand betreiben und gut "abtauchen" können, wenn sie das Ich noch erreichen wollen. Aber manchmal lohnt sich ein solcher Besuch oder "Tauchvorgang" und zeigt dem Pflegenden Facetten eines Ichs in der dunklen Stille des Ozeans.

Sehr oft befinden sich demenzkranke Menschen in dieser vierten Phase in einer fast unerreichbaren, inneren Welt. Die Augen geschlossen, liegen sie entspannt da. Aber das Großhirn hat auch schon viele Funktionen in Richtung Mobilität eingebüßt. Es kann bestimmte Reflexe nicht mehr hemmen, und ähnlich wie beim Schlaganfallbetroffenen zeigen sich vermehrt Kontrakturen der Extremitäten.

Sie sind meist vollkommen pflegebedürftig, harn- und stuhlinkontinent und sehr anfällig für Infektionen aller Art. Schluckstörungen nehmen zu. Bewusste und zielgerichtete Eigenbewegungen werden rar. Im Zuge von Bettlägerigkeit besteht hier die Gefahr, dass sie noch weiter verarmen und keine gezielten Reize mehr erhalten, die das Fortschreiten der Erkrankung mit allen Risiken begünstigen. Viele Empfehlungen aus der Phase des verborgenen Ichs gelten hier weiter.

Wahrnehmungsdefizite

Vor allem die Körperwahrnehmungen des demenzkranken Menschen sind nun stark reduziert. Die eigene Hand wird möglicherweise nicht mehr als zu sich selbst gehörig erfahren! Berührungen am Kopf, Nacken, Schulter, aber vor allem im Gesicht fordern gegebenenfalls noch Reaktionen heraus. Allerdings wird es auch immer schwieriger, die Mimik zu lesen.

Augenkontakt

Der Augenkontakt ist selten und eher zufällig. Man muss als Pflegender sehr nahe herangehen, damit der demenzkranke Mensch überhaupt wahrnehmen kann und der Versuch gelingt, Kontakt, Einklang herzustellen.

Sitzposition

Vielfach sprechen die demenzkranken Menschen in dieser Phase nicht mehr. Allein die Augen oder die Körperspannung können dem Pflegenden noch etwas über das Empfinden des demenzkranken Menschen verraten. Dazu muss der Pflegende ihm sehr nah und direkt gegenüber sitzen, damit sich der demenzkranke Mensch voll und ganz (soweit das überhaupt geht) auf ihn fokussieren kann.

Durch Singen, Schaukeln oder Takt schlagen kann vorübergehend ein "Kontakt" gelingen. Hier ist weniger mehr. Schon kleinste Reaktionen und das Mitgehen des Demenzkranken sind als Erfolg zu werten – und das sollten sich Pflegende durchaus bewusst machen!

Berührung

Langsame und vertraute, körperliche Berührung sollte unbedingt zielgerichtet eingesetzt werden. Man kommuniziert in dieser Phase vermehrt über den Körper. Allerdings braucht es Erfahrung, Geduld und Einstimmung auf den Bewohner, um zu spüren, welche Berührungen wohltuend oder aktivierend sind. Der Einsatz von ruhiger oder vertrauter Musik und basal stimulierende Waschungen können darüber hinaus noch spastikhemmend wirken.

Pflegeoase

In dieser Phase besteht leicht die Gefahr, dass die demenzkranken Menschen entweder im Zimmer, in einer deprivierenden Umgebung, verbleiben und noch weniger Kontaktmomente erhalten. Oder sie werden in eine reizüberflutende Umgebung mit anderen transferiert, wo sie im "normalen Milieu" untergehen.

Sie sind der Situation schutzlos ausgeliefert und können ihre Bedürfnisse nicht mehr mitteilen. Sowohl deprivierende als auch reizüberflutende Milieus sind äußerst ungünstig. Hier scheint es angemessen, wenn sie sich zumindest tagsüber in einer Umgebung befinden, wo sie ausreichend und wohldosiert Reize und Zuwendung von speziell geschultem Personal erhalten.

Fazit:

Besonders in dieser Phase wird deutlich, wie wichtig es ist, phasengerechte Pflegeangebote zu machen, die den besonderen Wahrnehmungs- und Kommunikationsdefiziten des demenzkranken Menschen gerecht werden.
Eine "Demenzabteilung" kann es also nicht geben. Aber auch integrative Konzepte sind keine Lösung.

Im Vordergrund sollte die Schaffung demenzphasengerechter und spezifischer Milieus stehen. Aber auch die Ausbildung und die Fortbildung Pflegender sollte der Phasengerechtigkeit Rechnung tragen. Dabei gilt es, die besonderen Talente der Pflegenden zu berücksichtigen. Manche fühlen sich in der ersten Phase, andere im Umgang mit demenzkranken Menschen der vierten Phase wohler und können sich entsprechend einstimmen.