Orientierungshilfe – Analoguhren in der Pflege demenzkranker Menschen

Im Rahmen der Pflege demenzkranker Menschen ist besonders im frühen und mittleren Stadium ein konsequentes Orientierungstraining sehr hilfreich. Bei der Umgebungsgestaltung können gut sichtbare Uhren die zeitliche Orientierung unterstützen. Warum es aber unbedingt eine Analoguhr sein sollt und wie Sie sie sinnvoll einsetzen, lesen Sie in diesem Artikel.

Digitale und analoge Kommunikation

Nach dem Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick gibt es eine digitale und eine analoge Kommunikation. Die analoge Kommunikation basiert auf archaischen Kommunikationsformen und zeigt gewissermaßen unmittelbar, was sie abbildet.

Eine Geste oder ein Bild sind klare Ausdrucksformen analoger Kommunikation und sprechen stärker das Gefühlsleben der Menschen an. Die digitale Sprache hingegen vermittelt in erster Linie pure Informationen und bedarf häufig der Übersetzung. Digitale Botschaften sind abstrakt und drücken sich über Zahlen und verschlüsselte Zeichen aus.

Was unterscheidet eine Analoguhr von einer Digitaluhr?

Bei einer Analoguhr zeigt sich die Zeit über die Darstellung durch Zeiger und Zifferblatt. Sie zeigt sich gewissermaßen übersichtlich und unmittelbar als eine absehbare und abschätzbare Entfernung zwischen den Zeigern für den Betrachter. Sie ist die Uhr der Kindheit und behält weitestgehend den Charakter unmittelbarer Vertrautheit im Sinne der Sehgewohnheiten. Man kann die Zeit im Kontext von hellem Tag und dunkler Nacht quasi direkt sehen!

Eine Digitaluhr hingegen zeigt die Zeit durch Ziffern an. In der Anzeige von Uhren zeigt sie folgendes Format: 00:00 bis 23:59. Der Leser muss die Sprache der Ziffern kennen und rechnen können, damit er die Uhrzeit erkennt. Digitaluhren sind erst Mitte des vorigen Jahrhunderts vermehrt im Alltag der Menschen aufgetaucht. Für viele ältere Menschen ist ihr Anblick eher ungewohnt.

Warum Analoguhren bei Demenzkranken?

Bei demenzerkrankten Menschen sind drei Dinge immer wieder festzustellen:

  • Das Langzeitgedächtnis bleibt sehr viel länger erhalten als das Kurzzeitgedächtnis. Die Analoguhr ist eher im Langzeitgedächtnis gespeichert.
  • Die Fähigkeit zum abstrakten und logischen Denken, mithin zum Rechnen, nimmt bei Demenzerkrankten recht schnell ab. Sie sind mit einer Digitaluhr sehr leicht überfordert.
  • Die Gefühlsansprechbarkeit, mithin das Deuten von Mimik, Gestik und analoger Kommunikation, bleibt umgekehrt sehr viel länger gut erhalten.

Angewiesen auf äußere Zeitgeber

Da ältere und demente Menschen zunehmend auf äußere Zeitgeber und Tagesstrukturierung angewiesen sind, damit sie sich – insbesondere zeitlich – gut orientieren können, ist es sehr hilfreich, wenn in ihrer Umgebung eine Uhr als Orientierungshilfe sichtbar ist.

Aber welche Uhr kann diesem Orientierungsbedürfnis am besten gerecht werden? Immer wieder nutzen Angehörige und Pflegende den Einsatz digitaler Uhren. Dass der Einsatz von Digitaluhren aber ungeeignet ist, und möglicherweise neue Probleme schafft, soll die folgende Anekdote verdeutlichen.

Abstrakte Symbole vergleichen

Während meiner Krankenpflegeausbildung hatte ich einen geistig behinderten Patienten in einer geschlossenen Abteilung zu betreuen. Die Angehörigen hatten ihm eine moderne Digitaluhr geschenkt. Er bekam regelmäßig die Erlaubnis, für eine bestimmte Zeit die Station zu verlassen mit der Auflage, pünktlich zu einer festgelegten Zeit wieder zurück zu sein.

Die Schwestern schrieben ihm die digitale Uhrzeit auf einen kleinen Zettel. Z. B.: 16:45. Allerdings kam es trotzdem immer wieder vor, dass er sich – manchmal deutlich – verspätete. Dabei fiel mir auf, dass er immer sehr gehetzt wirkte und manchmal schweißgebadet wieder auf die Station kam.

In der Reflexion des Pflegeteams im Rahmen einer Fallbesprechung wurde Folgendes klar: Er musste fast permanent die aufgeschriebene mit der noch nicht angezeigten Zeitangabe auf der Digitaluhr vergleichen.

Denn auf Grund seiner Intelligenzminderung war er gar nicht in der Lage abzuschätzen, wie viel Zeit ihm jeweils noch verblieb, denn er konnte die verbleibende Zeit nicht errechnen, so dass er während seines Ausgangs eigentlich kontinuierlich unter Stress stand, weil ja jede Veränderung der Uhranzeige das Ende seines erlaubten Ausgangs bedeuten konnte. Nachdem wir ihm eine Analoguhr gegeben hatten, kam er immer häufiger entspannt und pünktlich zurück.

Diese Anekdote zeigt, dass bei Menschen mit nachlassendem Gedächtnis und/oder fortschreitender Intelligenzminderung eine analoge Uhr sehr viel länger den Dienst einer Orientierungshilfe übernehmen kann als eine Digitaluhr.

Achten Sie daher bei der Gestaltung dementengerechter Umgebung auch auf diesen Umstand.