Nicht jeder Demenzkranke ist verwirrt!

Die Begriffe Verwirrtheit und Desorientiertheit werden in der Pflege von Demenzkranken leider oft bedeutungsgleich verwendet. Aber nicht jeder Verwirrte ist dement und nicht jeder Demente ist verwirrt. Lassen Sie sich verwirren!

Demenzkranke: Phasen der Desorientierung
Im Verlauf einer Demenzerkrankung nehmen bei den Betroffenen Orientierungsstörungen als Folge der nachlassenden Gedächtnisleistungen zu. Folgende Formen der Orientierungsstörung (Desorientierung) lassen sich unterscheiden:

  1. Zeitliche Desorientierung:
    Ich weiß nicht, ob es Tag oder Nacht ist, welchen Wochentag wir haben, welches Jahr, welche Jahreszeit oder welchen Monat.
  2. Örtliche Desorientierung:
    Ich weiß nicht, wo ich mich befinde, kenne nicht den Namen des Ortes oder der Straße.
  3. Situative Desorientierung:
    Ich weiß nicht, was um mich herum geschieht und verkenne die Situation.
  4. Orientierungsstörung zur Person:
    Ich weiß nicht, ob ich verheiratet bin, wann ich Geburtstag habe, wie ich heiße.

Desorientierung als Leitsymptom
Desorientierung ist ein häufiges Leitsymptom bei:

  • Demenz
  • Delir
  • Psychose

Bei den Betroffenen kommt es darüber hinaus häufig auch zu sogenannten Verwirrtheitszuständen, und das ist nicht dasselbe wie Desorientierung! Leider werden beide Begriffe sehr oft gleichbedeutend verwendet. Aber nicht jeder demenzkranke Mensch zeigt zwangsläufig neben Anzeichen von Desorientierung auch Verwirrtheitssymptome wie:

  • Halluzination
  • Wahn (Delusion)
  • Agitation
  • Aggressivität
  • Bewusstseinstrübung

Dies sollten beruflich Pflegende wissen, denn allzu häufig wird dem herausfordernden Verhalten von Demenzkranken mehr zugeschrieben, als angemessen und fachlich vertretbar ist.

Unterschied zwischen Verwirrtheit und Desorientierung
Ein Mann, der aufgrund seines schwindenden Gedächtnisses sich im Jahr 1968 wähnt und seine Umgebung im Pflegeheim als Krankenhaus wahrnimmt, kann vielleicht noch im Sinne eines Orientierungstrainings korrigiert werden oder aber er verhält sich adäquat, eben entsprechend der von ihm gedachten Zeitlichkeit und Örtlichkeit.

Während es sich bei der Desorientierung eher um eine Folge der verminderten Gedächtnisleistung handelt, ist die Verwirrtheit meist eine Bewusstseinsstörung in Folge von Mangelzuständen oder Vergiftungserscheinungen des Körpers.

Eine Verwirrtheit nämlich kann auch bei (uns!) nicht dementen Menschen auftreten. Manchmal spricht man von einer akuten, reversiblen Psychose oder einem Delir. Und so wie es dem "Gesunden" zum Beispiel in Folge von Flüssigkeitsmangel oder bei Medikamentenüberdosierung passieren kann, dass er plötzlich desorientiert ist und zudem noch Dinge wahrnimmt, die nicht vorhanden sind, so sind eben auch Demenzkranke dafür anfällig.

Wenn ein Alzheimerpatient vergisst zu trinken oder seine Medikamente doppelt einnimmt, dann ist die Gefahr erhöht, dass er Anzeichen von Desorientierung und Verwirrtheit zeigt. Darüber hinaus unterliegen Menschen mit einer demenziellen Erkrankung einem weit höheren Stresspegel, da sie aufgrund überdurchschnittlicher kognitiver Einschränkungen weniger Kontrolle über ihre Bewusstseinsvorgänge behalten und die bewährten Bewältigungsstrategien nicht mehr zur Verfügung stehen, was sie wiederum anfälliger (verletzbarer) macht für stark emotionale Reaktionen.

Fazit: Ein verwirrter Mensch ist in der Regel desorientiert, ein dementer Mensch ist häufig desorientiert, aber ein desorientierter Mensch muss nicht verwirrt sein. Es ist also fachlich nicht korrekt, einem verhaltensauffälligen Menschen sogleich Verwirrtheit zu attestieren. Wichtig ist es, genauer hinzuschauen, wie sich der Mensch verhält und welche Gründe es – neben der Demenz – für dieses Verhalten geben kann. Da bleiben wir immer herausgefordert!