Was Sie bei einer Selbstmedikation beachten sollten

Immer mehr Menschen "verordnen" sich ihre Medikamente selbst: Weil sie die Zeitvergeudung im Wartezimmer hassen, 10 Euro Praxisgebühr sparen möchten oder weil die Arznei kaum teurer ist als die Zuzahlung bei Verschreibung. Doch bei der Selbstmedikation lauern Gefahren. Die folgenden Tipps sind frei nach der Allgemeinmedizinerin Marion Jung und der Apothekerin Christa Socher zusammen gestellt. Was sollten Sie bei der Selbstmedikation unbedingt beachten?

Selbstmedikation: Auf die richtigen Erfahrungen bauen

Viele Menschen verlassen sich im Krankheitsfall auf Medikamentenempfehlungen aus ihrer Umgebung („Ute hat davon geschwärmt, wie schnell das hilft“). Doch Achtung: Hinter ähnlichen Symptomen können ganz unterschiedliche Krankheitsbilder stecken – hinter Erbrechen mit Durchfall etwa eine Virusinfektion oder eine Lebensmittelvergiftung.

Absolut Tabu: verschreibungspflichtige Medikamente, von denen Ihr Mann oder die Nachbarin noch etwas übrig hat.

So manches Präparat gibt es mittlerweile nicht mehr auf Rezept, weil es die strengen Wirksamkeitskriterien der Krankenkassen nicht erfüllt. Das heißt jedoch nicht, dass es Ihnen bei Ihren spezifischen Symptomen nicht helfen könnte. Haben Sie also gute Erfahrungen mit einem frei verkäuflichen Mittel gemacht, so können Sie bei Bedarf wieder dazu greifen. Dosieren Sie nach Beipackzettel.

Gerade wenn Sie sich die Zeit für den Arzt sparen, sollten Sie nicht an Zeit und Aufmerksamkeit für Ihren Körper geizen. Beobachten Sie nicht nur den Krankheitsverlauf, sondern achten Sie auch darauf, was sich sonst noch in Ihrem Körper
tut.

Vorsicht, Wechselwirkungen!

Nicht jedes Medikament lässt sich mit jedem anderen Medikament schadlos zur gleichen Zeit einnehmen. Typische problematische Kombinationen:

  • Schmerzmittel – Asthmamittel
  •  Antibiotika – „die Pille“
  • Blutverdünnungsmittel (z.B. Aspirin oder Marcumar) – Ginkopräparate
  • Antazida (Mittel gegen übersäuerten Magen) vertragen sich sogar mit einer ganzen Latte von Medikamenten nicht.

Nehmen Sie bereits ein Medikament, so studieren Sie die Beipackzettel beider Medikamente gründlich – auch dann, wenn beide nicht rezeptpflichtig sind. Verstehen Sie etwas nicht, fragen Sie unbedingt Ihren Arzt oder Apotheker, ob die beiden Mittel kombiniert werden dürfen.

Selbstmedikation: Beratung auch per Telefon

Solch eine kurze Beratung geht oft auch telefonisch. Viele Ärzte haben feste Telefonsprechzeiten oder rufen Sie zurück, wenn Sie das mit der Sprechstundenhilfe vereinbart haben. Ein Grund mehr, ein festes Verhältnis mit einem Hausarzt aufzubauen. Nur wenn Ihr Arzt Sie kennt, ist eine telefonische Beratung zwischen den normalen Besuchen sinnvoll.

Pflanzlich = harmlos?

Viele Menschen greifen lieber zum „pflanzlichen“ Heilmittel“ als zum „chemischen Produkt“. Doch auch dabei kann es zu Überdosierungen, Unverträglichkeiten oder unerwünschten Nebenwirkungen kommen. Beachten Sie auch bei „natürlichen“ Mitteln die Dosierung, die Inhaltsstoffe (Allergien!) und mögliche Wechselwirkungen. Selbst bei solchen aus dem Drogeriemarkt.

Keine halben Sachen bei der Selbstmedikation

In so mancher Hausapotheke sammeln sich mehrere angebrochene Präparate mit ähnlicher Wirkung – beispielsweise Hustensäfte. Brauchen Sie bei einer Erkrankung nicht eines nach dem anderen auf, sondern entscheiden Sie sich für 1 Mittel. Ist es nach 2 Tagen aufgebraucht, ohne dass Ihre Beschwerden weg sind, kaufen Sie das gleiche Präparat noch einmal.

Besonders wichtig ist der korrekte Umgang mit Antibiotika: Die Behandlungszeit (meist 5 oder 10 Tage) muss unbedingt eingehalten werden, vorzeitiges Abbrechen oder Aufbrauchen restlicher Packungen auf eigene Faust ist wirklich gefährlich. Wenn Sie z.B. am Wochenende eine Blasenentzündung mit übrig gebliebenen Antibiotika-Tabletten bekämpft haben, müssen Sie am Montag unbedingt zum Arzt, auch wenn Sie sich wieder fit fühlen.

Praxis-Tipp

Statten Sie Ihre Reiseapotheke speziell für Auslandsreisen nicht mit Medikamentenresten aus. Achten Sie darauf, dass die jeweilige Menge für eine normale Behandlung ausreicht. Denn im Ausland sind oft andere Wirkstoffe üblich.

Der Gang in die Apotheke

Eine gute Apotheke erkennen Sie daran, dass man sich dort Zeit für eine Beratung nimmt und genau nachfragt („Seit wann haben Sie die Beschwerden?“). Der Vorteil einer Apotheke in Ihrer Wohnumgebung: Dort weiß man, welche Krankheiten gerade umgehen – das erleichtert die richtige Einordnung von Symptomen wie Erbrechen.

Viele Apotheken arbeiten bereits mit Kundenkarten in Kombination mit einer Software, die beim Kauf automatisch überprüft, ob das Präparat sich mit dort früher gekauften Medikamenten verträgt. Nutzen Sie diese Möglichkeit eines Sicherheits-Checks!

Wenn Sie kommentarlos ein bestimmtes Präparat verlangen („Ein mal Kopfwehweg bitte“), kann es passieren, dass Sie das Mittel kommentarlos gereicht bekommen. Besser: Schildern Sie Ihre Symptome und sagen Sie, warum Sie ein bestimmtes Mittel haben möchten. („Ich bin total verspannt und habe Kopfschmerzen. Meine Kollegin hat mir dafür Kopfwehweg empfohlen.“)
Apotheker sind über die neuesten Entwicklungen im Pharmasektor manchmal schneller informiert als Ärzte.

Wenn Sie unter Allergien oder einer anderen „klassischen Erkrankung“ leiden, lassen Sie sich vom Apotheker über neue Medikamente beraten, und bringen Sie dieses Wissen beim nächsten Arztbesuch mit.

Jetzt aber zum Arzt!

Kaum jemand geht „wegen einer Lappalie“ zum Arzt. Doch wann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem Sie sich nicht mehr mit der Einnahme der selbst gewählten Medizin begnügen sollten? Sind die Beschwerden nach dem Aufbrauchen der kleinsten verfügbaren Packung nicht so gut wie verschwunden, sollten Sie einen Arzt aufsuchen.

Erkältungen sollten nach einer Woche schon deutlich besser sein, Ausschläge oder Ähnliches bereits nach 3-4 Tagen. Wichtig: Sagen Sie Ihrem Arzt, womit Sie sich bereits auf eigene Faust behandelt haben.

Bildnachweis: New Africa / stock.adobe.com