Mandelentfernung: Wann müssen die Mandeln raus?

Wenn Ihr Kind immer wieder unter Mandelentzündungen leidet, stellt sich irgendwann die Frage: raus mit den Übeltätern oder nicht? Wann die Mandelentfernung wirklich Sinn macht, verrät Ihnen dieser Artikel.

Die Gaumenmandeln (umgangssprachlich als Mandeln bezeichnet, medizinisch als Tonsillen) gehören wie die Rachenmandeln (umgangssprachlich als Polypen bezeichnet, medizinisch als Adenoide) zum so genannten lymphatischen Rachenring. Dieser hat die Aufgabe, über Mundhöhle und Nase eindringende Krankheitserreger abzufangen, bevor sie in die unteren Atemwege gelangen.

Weil gerade Kinder mit vielen Atemwegsinfekten zu kämpfen haben, sind bei ihnen die Mandeln relativ groß, häufig sogar zu groß. Bitte beachten Sie: Alle folgenden Aussagen beziehen sich ausschließlich auf die Gaumenmandeln!

Mandelentfernung: Je häufiger die Entzündung, desto größer der Nutzen

Bereits im Jahr 1930 machte sich ein Mediziner die Mühe, 1.000 Kinder, denen wegen häufiger Mandelentzündungen die Mandeln entfernt wurden, mehrere Jahre lang zu beobachten. Er kam zu dem Schluss, dass die Entfernung der Mandeln Häufigkeit und Schwere von Halsentzündungen und schmerzhaften Lymphknotenschwellungen verringern konnten. Allerdings hielt der Effekt nur drei Jahre lang an. Bereits im vierten Jahr waren die operierten Kinder wieder genauso häufig krank wie nicht operierte Kinder.

Wiederholte Mittelohrentzündungen ließen sich durch die Operation gar nicht bessern – da ist die Entfernung der Polypen sinnvoller. Eine neuere Arbeit aus dem Jahr 2004, in den Niederlanden durchgeführt, verglich bei 250 Kindern im Alter von zwei bis acht Jahren eine kombinierte Entfernung von Mandeln und Polypen mit bloßem Abwarten. Das Ergebnis: weniger schwere Halsentzündungen in den ersten sechs Monaten bei den Operierten, kein Unterschied mehr nach zwei Jahren.

Einen länger anhaltenden Nutzen der Mandelentfernung (über zwei Jahre hinaus) fand eine andere Arbeitsgruppe nur dann, wenn die operierten Kinder sieben Mandelentzündungen im vergangenen Jahr oder aber je fünf in den letzten zwei Jahren gehabt hatten und dann jeweils 10 Tage lang mit Penicillin behandelt werden mussten.

Empfehlung: Eine Mandelentfernung macht frühestens dann Sinn, wenn Ihr Kind mindestens drei fieberhafte Mandelentzündungen pro Jahr hat, die antibiotisch behandelt werden müssen. Bei selteneren Halsentzündungen ist der Nutzen gering: Ihr Kind ist bereits nach sechs Monaten wieder genauso häufig krank wie vor der Operation – da können Sie gleich darauf verzichten!

Bettnässen, Schnarchen, Entwicklungsstörungen: Wann Ihr Kind von der Operation profitiert

Die Liste der Erkrankungen, bei denen eine Entfernung der Mandeln helfen soll, ist lang, trotzdem ist der Nutzen oft eher zweifelhaft, sodass die Operation vielfach überflüssig ist.

Schlafapnoe: Wenn Schnarchen krank macht

Dass erwachsene Schnarcher nächtliche Atemaussetzer haben können und man dies als Schlafapnoe bezeichnet, haben Sie sicherlich schon gehört. Dass es so etwas auch bei Kindern gibt, mag Ihnen vielleicht neu sein. Bei Kindern sind häufig viel zu große Mandeln die Ursache.

So macht sich die kindliche Schlafapnoe bemerkbar:

  • Schnarchen mit hörbaren Atemaussetzern
  • unruhiger Schlaf, oft auch vermehrtes Schwitzen
  • Müdigkeit tagsüber
  • Kopfschmerzen
  • Unkonzentriertheit, eventuell sogar Verhaltensstörungen
  • häufig tagsüber Mundatmung mit leicht geöffnetem Mund
  • Kind häufig leicht untergewichtig und sehr infektanfällig

Weil die Schlafapnoe mit einer erschwerten Atmung einhergeht und die betroffenen Kinder nachts unter einer ungenügenden Sauerstoffversorgung leiden, können Wachstum und Entwicklung deutlich beeinträchtigt sein. Diese Kinder sind zudem nicht selten Bettnässer, oder es können sogar Herzrhythmusstörungen bestehen.

Wenn Auffälligkeiten wie Entwicklungsverzögerungen oder Bettnässen infolge einer Schlafapnoe auftreten, kann die Verkleinerung der Mandeln eine deutliche Besserung bringen. Bei Kindern unter acht Jahren mit Schlafapnoe werden die vergrößerten Mandeln in der Regel nicht vollständig entfernt, sondern nur mit Hilfe eines Lasers teilweise abgetragen (so genannte Tonsillotomie). So bleibt ein Teil des Mandelgewebes erhalten und behält seine Abwehrfunktion gegenüber Krankheitserregern.

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