Verdacht auf Kindesmissbrauch: So gehen Sie vor

Für Eltern ist es ein absoluter Albtraum, erfahren zu müssen, dass das eigene Kind möglicherweise sexuell missbraucht wurde. Doch für einen solchen Missbrauch gibt es meist schon im Vorfeld Anhaltspunkte, auf die Sie achten sollten. Lesen Sie hier, wie Sie bei einem Verdacht auf Kindesmissbrauch richtig vorgehen.

Glauben Sie nicht, dass Ihnen Ihr Kind alles sagt

Als Rechtsanwalt, der sich auch mit sexuellem Missbrauch befasst, weiß ich aus meiner anwaltlichen Praxis, dass viele Missbrauchsopfer den Missbrauch zunächst nicht psychisch verarbeiten können – vor allem, wenn der Missbrauch schon im Kindesalter begonnen hat.

Das Kind verdrängt den Missbrauch einfach und will nicht wahrhaben, was geschehen ist. Oft kann das Kind den Missbrauch auch nicht als solchen einordnen.

  • Beispiel: Einer meiner Mandanten wurde als Kind vermutlich über viele Jahre hinweg von seinem eigenen Vater missbraucht. Als Erwachsener verhielt er sich wiederholt auffällig. Erst im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung kam die Vermutung auf, dass der Mandant als Kind vom eigenen Vater missbraucht wurde. Der Mandant hatte den Missbrauch über Jahrzehnte hinweg verdrängt.

Sie können daher als erziehungsberechtigte Person nicht erwarten, dass Ihnen Ihr Kind bereitwillig erzählt, wenn es missbraucht worden ist.

Achten Sie auf Anhaltspunkte für einen möglichen Missbrauch

Da Kinder durch einen Missbrauch zunächst verstört sind und sich sogar ihren Eltern zunächst meist nicht anvertrauen, sollten Sie als Vater oder Mutter auf Anzeichen achten, die Hinweise auf einen Missbrauch sein könnten.

Mögliche Symptome können sein: Das Kind verliert plötzlich auf Dauer den Appetit, längere und gravierende Schlafstörungen, stark abfallende schulische Leistungen, Konzentrationsstörungen sowie die Abneigung gegen den eigenen Körper und Ablehnung von Autoritätspersonen wie Lehrern und Eltern.

Hinterfragen Sie persönliche Kontakte Ihres Kindes

In der anwaltlichen Praxis hat sich gezeigt, dass die Täter oft erwachsene Vertrauenspersonen des Missbrauchsopfers waren, wie zum Beispiel ein nahestehender Verwandter, also der berühmte „nette Onkel“, ein Lehrer oder Jugendcampleiter oder ein Trainer im Sportclub.

Das heißt nun nicht, dass Sie hinter jeder dieser Vertrauenspersonen einen Straftäter sehen müssen. Wenn aber Ihr Kind mit einer erwachsenen Vertrauensperson öfter (auch über Nacht) privat unterwegs ist und verhaltensauffällig wird, sollten Sie kritisch werden.

Sprechen Sie behutsam mit Ihrem Kind

Falls Sie einen Verdacht haben, Ihr Kind könnte unsittlich berührt worden sein, versuchen Sie, mit Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter vorsichtig auf das Thema zu sprechen zu kommen. Machen Sie Ihrem Kind deutlich, dass Sie für es da sind und dass es Ihnen alles sagen darf, was es auf dem Herzen hat.

Führen Sie das Gespräch vertraulich, also in Abwesenheit fremder Personen, und achten Sie darauf, dass Sie das heikle Thema altersgerecht ansprechen. Den möglichen Täter sollten Sie nicht vorschnell mit Vorwürfen konfrontieren. Dies klären Sie am besten erst mit Ihrem Rechtsanwalt ab.

Nehmen Sie fachkundige Hilfe in Anspruch

Erhärtet sich im vertraulichen Gespräch Ihr Verdacht, dass Ihr Kind von einer bestimmten Person sexuell belästigt oder gar missbraucht worden sein könnte, so sollten Sie prüfen, ob Ihr Kind eine psychotherapeutische Behandlung benötigt. Sehr hilfreich ist auch die Betreuung durch Opfergruppen, wie etwa netzwerkB e.V. oder die „Initiative gegen Gewalt“.

Außerdem sollten Sie rechtzeitig einen Rechtsanwalt aufsuchen, der sich auf Opferschutz spezialisiert hat. Nicht alle Rechtsanwälte übernehmen Mandate auf diesem heiklen Gebiet.

Beachten Sie, dass nicht nur eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des potenziellen Täters im Raum steht, sondern auch ein Schmerzensgeld zugunsten Ihres Kindes.

Ihr Anwalt wird Sie beraten, ob Ansprüche noch durchgesetzt werden können oder schon verjährt sind. Zudem wird er Ihnen helfen, die Beweise zu sichern und Sie beraten, ob die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden muss. Gegebenenfalls wird Ihr Anwalt dann den potenziellen Täter mit den Vorwürfen konfrontieren.

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