Die Vulva – lernen Sie sich kennen

Wir kennen sie aus medizinischen Broschüren, versehen mit einer Vielzahl lateinischer Begriffe. Dann gibt es noch die pornografischen Impressionen und hin und wieder etwas in Richtung Kunst. All diesen Darstellungen fehlt vor allem eins, der Alltagsbezug. Den Versuch einiger verständlicher Erklärungen über Funktion, Beschaffenheit und Aussehen der Vulva finden sie hier.

Die meisten engagierten Beraterinnen haben eine persönliche Motivation, in einem bestimmten beruflichen Kontext zu arbeiten. Meine Initialgeschichte ist die einer 18-jährigen jungen Frau, die erst nach 3 Jahren regelmäßiger Frauenarztbesuche all ihren  Mut zusammennimmt, um zu erfragen, ob sie „da Innen irgendwie missgebildet sei, weil das Gewebe sich da so wellig anfühle und gar nicht glatt“. Es ist meine eigene Geschichte. Eine Geschichte die trotz liebevoller familiärer und fachlich korrekter schulischer Aufklärung  so geschehen konnte.

Heute erkläre ich jungen Frauen, dass die Darstellungen in ihren Biobüchern eigentlich eine erregte Vulva zeigen, denn nur dann öffnet sie sich, macht Platz für einen möglicherweise eindringenden Penis und bilden natürlich auch dann kein schnurgerades Rohr. Ansonsten liegen die Scheidenwände faltig an- und aufeinander, so dass schon das Einführen eines Finger Geschick und Wissen (Die Richtung ist tendenziell schräg nach oben) erfordert.

Die Vergleiche und Erklärungen, die Sie hier lesen, entsprechen nicht medizinischen Richtlinien, sondern orientieren sich an den Fragen und Sorgen von ganz normalen Frauen, die ihre Geschlechtsorgane nämlich leider immer nur schemenhaft sehen und ertasten können.

Gehen wir von außen nach innen vor

Mit dem Handspiegel sichtbar sind zunächst einmal die großen Schamlippen. Der sprachliche Zusammenhang mit dem Begriff Scham sorgt bei vielen Frauen für Widerstand. Wählen wir also den Begriff Geschlechtslippen. Auf den äußeren Geschlechtslippen wachsen in der Regel im Lauf der Pubertät Haare. Diese sind  fester und gewellter, meist auch etwas dunkler als das Kopfhaar.

Den Resten von Körperbehaarung, die der Mensch heute noch aufweist, ordnet man aus wissenschaftlicher Sicht zwei Funktionen zu. Sie sollen den Schweiß auffangen, also schützen und den Geruch als Sexuallockstoff konservieren.  In unserer gegenwärtigen Kultur sind weder Haare, noch Geruch gut angesehen und sie werden von den meisten Menschen entfernt.

Dabei handelt es sich um eine Modeerscheinung, die weder besonders sinnvoll, noch irgendwie gesundheitsbeeinträchtigend ist. Wenn Sie nun die Beine ein wenig öffnen, werden die inneren Geschlechtslippen sichtbar. Lippen, diese im Deutschen gefundene Bezeichnung, verweist auf eine gute Analogie, nämlich die zum Mundraum. Die inneren Geschlechtslippen sind unseren Lippen sehr ähnlich. Sie sind weich, stark durchblutet und voller feinster Nervenendungen, die uns jede Art von Berührung ins Gehirn rückmelden.

Kein Wunder also, dass Menschen gerne küssen. Kein Wunder, dass schon ganz kleine Mädchen sich gerne „da Unten“  mehr oder weniger zart berühren. Da wo die kleinen Geschlechtslippen zusammen wachsen, in Richtung Bauchnabel, finden Sie Ihren Kitzler, die Klitoris, wie sie der Mediziner nennt.

Kaum zu glauben, wie oft sie in der Aufklärung von Müttern einfach unterschlagen wird. Denn wir Frauen haben ja im Gegensatz zu Männern den Luxus, über ein eigens zum Zweck der Lust beschaffenes Organ zu verfügen. Der Kitzler wird von Aussehen und Größe oft mit einer Perle verglichen. Kann aber auch etwas kleiner oder länger und insgesamt größer ausfallen. Von einer Vorhaut bedeckt sein oder auch nicht.

Er ist sehr berührungsempfindlich. Sie können durch etwas Druck eine Empfindung auslösen, mit der sie die Nervenbahnen nachverfolgen können, die sich wie zwei dicke Wurzelstränge durch das Gewebe entlang der Schamlippen bis in den Eingang der Scheide hineinziehen. Durch Ausprobieren und Übung einer Mischung aus Druck und rhythmischer Bewegung am Kitzler können sich die meisten Frauen selbst bis zum Orgasmus streicheln.

Viele Frauen haben beim Hin- und Herschieben des Penis nämlich keinen Orgasmus und nutzen ihren Kitzler beim partnerschaftlichen Sex dann zusätzlich, um zum Höhepunkt zu kommen. Die Lage des Kitzlers ist nicht unerheblich für das Empfinden beim Geschlechtsverkehr. Wie nah oder entfernt ist er vom Scheideneingang entfernt? Wie sehr wird er beim Sex vom Körper des Mannes  stimuliert?

Durch Variieren der Stellungen und das Einnehmen unterschiedlicher Winkel zum Partner können Sie herausfinden, was in Ihnen  die meiste Erregung auslöst. Am besten gelingt das übrigens, wenn der Partner unten liegt. Unter der Vorhaut der Klitoris kann sich ein zähes Sekret bilden, das sich ggf. auch entzünden kann. Die Vorhaut hin und wieder beim Duschen zurückzuschieben und dieses zu entfernen ist empfehlenswert.

Wenn Sie den Spiegel nun wieder weiter in Richtung Po schieben und die inneren Geschlechtslippen auseinanderziehen, sollten sie drei verschiedene Öffnungen unterscheiden können. Von oben nach unten: Die Harnröhrenöffnung, das „Pipiloch“ darunter den Scheideneingang, und zwei bis drei Fingerbreit darunter den Darmausgang „das Poloch“.

Auf diese unmittelbare Nähe der Öffnungen gehe ich deshalb ein, weil sie auf  Umgang und Pflege Einfluss haben sollten. Infektionen können nämlich von einer in die andere Öffnung übertragen werden und auch dann Schaden anrichten, wenn das jeweilige Körperteil für sich gesehen völlig gesund ist.

Kot-Reste enthalten beispielsweise die im Darm überaus sinnvollen Bakterien, die jedoch in Ihrer Scheide eine Entzündung auslösen können. Eine Blasenentzündung kann den Sex unerträglich machen oder durch Sex mit einem Partner, der kein Kondom benutzt, ausgelöst werden. Den  Partner vor dem Sex zum Waschen zu schicken ist, wenn Sie empfindlich sind, eine sinnvolle Idee.

Beim Toilettengang wischen Sie unbedingt nur einmal von vorne in Richtung Po und entsorgen das Papier ohne noch einmal zurückzuwischen. (Nur) das Äußere der Vulva und den Po  einmal täglich mit warmen Wasser und milder Seife zu waschen ist Pflicht. Besonders sinnvoll: Im Anschluss an das große Geschäft. Es ist nicht unbedingt nötig, ein gesondertes Handtuch für die Vagina zu benutzen, aber Sie sollten es nicht mit anderen Personen der Familie teilen.

Wer schon einmal zu stark gerubbelt hat kennt das unangenehme Gefühl.

Die Scheide ist nämlich, wie der Titel des umstrittenen Romans von Charlotte Roche es bezeichnet, ein Feuchtgebiet. Hier wieder die Analogie zum Mund. Ein trockener Mund und trockene Lippen empfinden wir als äußerst unangenehm.

Das Schleimhautgewebe ist an beiden Stellen ähnlich: Ist es nicht feucht, bekommen wir leicht eine Halsentzündung oder eben eine vaginale Entzündung, weil Bakterien und Viren von Spucke, bzw. Scheidensekret nicht unschädlich gemacht werden können.  Alles was die Scheide austrocknet, also z. B. der ununterbrochene Gebrauch von Slipeinlagen,  bringt das natürliche Gleichgewicht der Scheide durcheinander und ist deshalb ungesund.

Slipeinlagen enthalten außerdem Bleichmittel, die die zarte Haut der Scheide reizen können. Wenn sie eine gummierte Schicht enthalten, überwärmen sie die Scheide  und können einen unangenehmen Geruch auslösen, weil Sie dann mehr schwitzen. Auch synthetische Kleidung kann diesen Effekt haben. Baumwolle und atmungsaktive Materialien sind am geeignetsten.

In der Leistengegend ist es nämlich ohnehin recht warm und die vielen Kleidungschichten sorgen vor allem im Winter dafür, dass es kaum Luftzirkulation in diesem Bereich gibt, die manchmal ganz zuträglich wäre. Achten Sie deshalb zumindest Nachts darauf sich nicht allzu warm einzupacken.

Im Zweifel scheuen Sie sich nicht Ihrem Gynäkologen jede noch so seltsame Frage über Ihren Intimbereich  zu stellen. Nach fast zwei Jahrzehnten Arbeit mit diesem Thema kann ich  Ihnen versichern: Es ist der beste Weg!

Für dieses Mal: Alles Gute

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