Soll mein Kind auf ein Eliteinternat?

Die internationalen Führungskräfte werden in Eliteinternaten herangezogen. Das zumindest legen Presseberichte nahe, die mit Titeln wie "Kaderschmieden mit Karrieregarantie" (manager magazin) aufmachen. Schnell entsteht da bei leistungsorientierten Mittelschicht-Eltern das Gefühl, ihre Kinder der späteren Berufschancen wegen in solche Institute schicken zu müssen. Sind sie damit gut beraten?

Wer sich in Deutschland nach Eliteinternaten umschaut, stößt schnell auf private Internatsschulen der höchsten Preiskategorie (2000 bis 3000 Euro monatlich), darunter das angebliche "Flaggschiff" der Wohnschulbranche, die Schule Schloss Salem am Bodensee.

Kein anderes Institut vertritt allerdings einen derart schillernden Elitebegriff wie das von Prinz Max von Baden und dem jüdischen Großbürgersohn Kurt Hahn 1920 eröffnete "größte Internat Deutschlands" (680 Belegplätze). Beiden schwebte eine zur "Verantwortungselite" erzogene "Führungsaristokratie" vor, deren Führungsanspruch durch bestimmte, mittels einer spartanischen Erziehung erzeugte Eigenschaften legitimiert wurde.

Das von Hahn 1930 formulierte 7. Salemer Gesetz ("Erlöst die Söhne reicher und mächtiger Eltern von dem entnervenden Gefühl der Privilegiertheit") wirkt nur "egalitär" und "demokratisch", wenn man es aus dem Zusammenhang reißt. Schon der anschließende Kommentar macht deutlich, dass es der Salemer Pädagogik nicht darum ging, jedem Tüchtigen nach Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit den Aufstieg in verantwortliche Positionen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu ermöglichen, wie es den Idealen einer modernen demokratischen Leistungsgesellschaft entspricht.

Das Salemer Erziehungskonzept sollte in erster Linie das Problem der "Dekadenz" in den Familiendynastien der Oberschicht lösen, die Hahn für "eine absichtliche Verschwendung eines großartigen Erbes" hielt und darauf zurückführte, dass "die ‚armen‘ Jungen und Mädchen der Reichen" sich nicht zu lebenstüchtigen Erwachsenen entwickeln könnten, "solange sie auf ihre Kreise beschränkt" blieben.

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Jungen und Mädchen zu lebenstüchtigen Erwachsenen entwickeln

Hahns Forderung: "Lasst sie die Erfahrungen eines faszinierenden Schullebens mit Söhnen und Töchtern teilen, deren Eltern um ihre Existenz zu kämpfen haben" war ausschließlich darauf gerichtet,  dem Nachwuchs von Adel und Großbürgertum auf Kosten weniger privilegierten Mitschüler ein günstigeres Erziehungsmilieu zu schaffen. "Keine Schule", stellte Hahn nach nur 10-jährigem Schulbetrieb fest, "kann eine Tradition von Selbstdisziplin und tatkräftiger, freudiger Anstrengung aufbauen, wenn nicht mindestens 30 Prozent der Kinder aus Elternhäusern kommen, in denen das Leben nicht nur einfach, sondern sogar hart ist."

Eine Quote von 30% Kindern aus "einfachen" Verhältnissen blieb immer Illusion. Bis heute stammen auch die Salemer Stipendiaten überwiegend aus bildungsorientierten bürgerlichen Elternhäusern. Und die Vorstellung, dass es wohlhabenden Familien möglich sei, "ihre Kinder so zu erziehen, als ob sie nicht wohlhabend wären" und Salem in diesem Sinne einen "Schutzraum vor dem Materialismus der Erwachsenenwelt" (Bernhard Bueb) bilden könne, erwies sich als idealistische Phantasmagorie.

"Das Leben war doppelbödig", berichtet der ehemalige Leiter des Landerziehungsheims Marienau, Bernhard Knoop, im Rückblick auf 35 Berufsjahre in zwei Landheimen. Das "Nebeneinander des Konsumentenverhaltens der Elternhäuser und des im Internat propagierten asketischen Lebensstils" sei immer „ein unaufhebbarer, die pädagogische Arbeit schwer belastender Widerspruch" geblieben.

Geblieben ist auch die Instrumentalisierung von "Stipendiaten" im Interesse der "dekadenten" Oberschichtkundschaft.

Fazit: Auf Eliteerziehung à la Salem & Co. können leistungsorientierte Mittelschichtler gut verzichten.