Individualismus und sein interkultureller Gegenpol – der Kollektivismus

Funktionieren wir in einer Gruppe oder als Individuum? Leben wir in einem System des Individualismus oder des Kollektivismus? Wird in Organisationen Gruppenarbeit als Vorteil gesehen oder werden eigenverantwortliche Einzelgänger bevorzugt, die im Wettbewerb untereinander stehen? Wie drückt sich dies in einer Kulturdimension aus?

Die Kulturdimension zwischen Gruppenverhalten und Einzelverhalten zeigt den größten Unterschied zwischen westlichen und östlichen Ländern, im Vergleich zu allen anderen Kulturdimensionen. In der Kulturforschung wird das Gruppenverhalten als Kollektivismus und das Verhalten von Eingänger, als Individualismus bezeichnet. Also das Verhalten eines Individuums.

Individualismus: Wertesystem in einer Gesellschaft
Individualismus kann als ein Wertesystem in einer Gesellschaft oder Organisation betrachtet werden, in dem eine Einzelperson im Mittelpunkt steht. Die Einzelpersonen treffen eigenständige Entscheidungen und haben Ansichten oder Meinungen, die unabhängig von der Organisation oder Gesellschaft sind.

Sie denken, fühlen und handeln eigenständig. Daraus entwickeln Individuen einen persönlichen Lebensstil, der sich von Anderen unterscheidet.

Das Wertesystem ist eine so genannte Norm. Das ist so etwas wie ein Mittelwert aller Menschen in einer Gruppe ist. Damit hat auch eine Einzelperson einen relativen Bezug zur Gesellschaft. Nämlich wie weit weicht die Einzelperson im denken, fühlen und handeln von der Gesellschaft ab oder, anders herum ausgedrückt, wie weit gehört die Einzelperson zur Gesellschaft dazu?

Kinder werden in ein Wertesystem hinein geboren. Die Werte als Einzelperson oder Gruppenbeziehungen werden anerzogen, also von Bezugspersonen vermittelt. Dabei wird ein Fundament auf der Grundlage aus dem Ich oder einer Gruppe gebildet.

Individualismus und Kollektivismus treten nebeneinander auf
Bei genauer Betrachtung gibt es wie bei allen Kulturdimensionen nicht allein die Bildung von entweder dem Pol Individualismus oder dem Pol Kollektivismus. Beide Pole treten gleichzeitig auf. Deutschland ist stark individualistisch Geprägt. Andere Tendenzen dazu sind zm Beispiel:

  • In deutschen Organisationen gibt es aber auch verstärkt die Bildung von Fachgruppen, die dem Individualismus über- oder untergeordnet werden.
  • Mitarbeiter werden in virtuellen Fachgruppen eingesetzt.
  • Zu einem Zeitpunkt sind Mitarbeiter in einer Fachgruppe und zu einem anderen Zeitpunkt sind Mitarbeiter Einzelpersonen.
  • Mitarbeiter können in Abteilungen, Bereichen oder in länderübergreifenden Gruppen tätig sein.

Gleichzeitig können alle Gruppenmitglieder immer isoliert als Einzelpersonen betrachtet werden, die gemeinsam handeln.

Gruppenentscheidungen können besser als Einzelentscheidungen sein
Kollektivismus, also das Gruppenverhalten, ist kein höhergestelltes Werteverständnis zum Individualismus. Grundsätzlich kann aber das Ergebnis eine Gruppenentscheidung besser sein, als das eines Einzelnen. Zum Beispiel beim Schätzen von Werten oder bei der Gerechtigkeit einer Entscheidung. Das bedeutet mehr Meinungen werden berücksichtigt. Dazu gibt es auch den Begriff der kollektiven Intelligenz.

Von der anderen Seite betrachtet, kann eine Gruppe auch Zwänge bedeuten. Das ist der Grundsatz, woraus sich der Individualismus entwickelt hat. Nämlich den Zwängen zu entfliehen und einen eigenen persönlichen Charakter zu entwickeln.

Der Individualismus-Index
In der Kulturforschung gibt es zur Darstellung zwischen individualistischen und kollektivistischen Kulturen den so genannten Individualismus-Index. Dies ist eine Skala zwischen Null und Einhundert. Die Skala beginnt bei Null bei starker kollektivistischer Ausprägung und endet bei Einhundert, bei starker individualistischer Ausprägung.

Personen aus stark individualistischen in Kulturen haben meist mehr finanzielle Mittel. Die persönliche Freiheit, die persönliche Entfaltung, Menschenrechte oder Wettbewerb stehen hier im Vordergrund. Der Zusammenhalt ist sehr lose. Von der Gesellschaft wird erwartet, dass die Menschen sich um sich selbst und ihre Kernfamilie kümmern.

Gruppenverständnis wird im Kollektivismus bevorzugt 
Im Kollektivismus wird das Gruppenverständnis im Gegensatz zum Einzelnen bevorzugt. Hierbei stehen soziale Verantwortung, Kooperationen oder harmonische Beziehungen im Vordergrund.

Im Kollektivismus besteht ein höherer Grad, inwieweit Menschen in eine Gruppe integriert sind. Von der Gesellschaft wird erwartet, dass die Menschen sich um ihre erweiterte Familie kümmern. Nicht nur um ihre Kernfamilie. Kollektive Werte sind zum Beispiel Freundlichkeit, Ehrlichkeit, Rücksichtnahme oder eine konservativ Haltung. Dabei drückt eine konservative Haltung nicht aus, dass eine Kultur nicht Fortschrittlich ist.

Wohlergehen steht immer im Vordergrund
Beide Pole Kollektivismus und Individualismus beziehen sich auf das Wohlergehen. Entweder auf das Wohlergehen des Einzelnen oder der Gruppe. Das Wohlergehen steht aber immer im Vordergrund als Bewertungsmaßstab.

Erwarten sie in kollektivistischen Ländern wie China nicht, dass sie eine Entscheidung in einer Besprechung bekommen. In westlichen Ländern nehmen dazu Entscheider an Besprechungen teil. Diese sind in chinesischen Gruppen nicht immer vertreten. Ebenso würden Sie der Gruppe die Möglichkeit geben, ihre Meinung beizutragen, die sie alleine treffen möchte. Erwarten Sie daher bei Besprechungen mit Asiaten nicht eine Entscheidung. Sie würden ihr Gesicht verlieren.

Halten Sie ebenso asiatische Mitarbeiter nicht dazu an, durch Handlungen aus ihrer Gruppe "auszubrechen". Dies wäre zum Beispiel, wenn Sie einem Mitarbeiter aus einer kollektivistischen Kultur sagen, dass er sich sein Arbeitsmaterial aus einer anderen Gruppe besorgen soll. Dies würde den Schatten auf den Mitarbeiter werfen, dass er nicht für seine Arbeit sorgen könne und er würde sein Gesicht verlieren.

Sorgen Sie also bitte für die Belange der Mitarbeiter und hinterfragen sie, ob alles Notwendige zur Verfügung steht. Bieten sie es an. Fordern Sie nicht. Dies dient dem Wohl der Gruppe.