Rückstellungen: Bildung und Auflösung (Teil 2)

Der Jahresabschluss enthält sämtliche Schulden und damit auch Rückstellungen. Für die Bildung und Auflösung sind daher auch die Grundsätze der Inventur zu beachten.

Da auch für Rückstellungen die Grundsätze für die Inventur zu beachten sind, ist zum Abschlussstichtag eine Inventur der Risiken vorzunehmen. Diese speziell auf Rückstellungen abgestimmte Inventur ist je nach Unternehmensgröße mit einem hohen organisatorischen Aufwand verbunden, denn gerade bei Rückstellungen besteht die Gefahr, dass die Vollständigkeit nicht alleine durch den für die Aufstellung des Jahresabschlusses Verantwortlichen (zum Beispiel den Leiter Buchhaltung oder den kaufmännischen Leiter) gewährleistet werden kann.

Klärung rückstellungsrelevanter Sachverhalte im Unternehmen
Die für die Erstellung des Jahresabschlusses verantwortlichen Personen müssen in der Regel unternehmensweit rückstellungsrelevante Sachverhalte untersuchen, die in allen Funktionsbereichen des Unternehmens – insbesondere auch im Einkauf, in der Produktion und im Vertrieb – sowie den sonstigen Unternehmensabteilungen (Forschung und Entwicklung, Personalabteilung und so weiter) auftreten können.

Wann sind Rückstellungen zu bilden?
Im Jahresabschluss sind Rückstellungen immer dann zu bilden, wenn die in § 249 HGB genannten Ansatzgebote vorliegen. Auf die Höhe der zu bildenden Rückstellung kommt es nicht an.

Da es bei Rückstellungen keinen Wesentlichkeitsgrundsatz gibt, stellt das Weglassen einer der Höhe nach unbedeutenden Rückstellung einen Verstoß gegen § 240 HGB dar, unabhängig davon, ob dies zu einer Einschränkung des Bestätigungsvermerks des Abschlussprüfers führt.

Werterhellende und wertbegründendende Tatsachen
Für den Ansatz von Rückstellungen ist eine Abgrenzung zwischen werterhellenden und wertbegründenden Tatsachen oftmals von besonderer Bedeutung.

Ein Kaufmann hat in seiner Bilanz Rückstellungen nur für solche Gründe aufzunehmen, von denen er bis zum Tag der Aufstellung der Bilanz Kenntnis hat. Hierbei geht es nicht allein um die Kenntnis des für die Erstellung des Jahresabschlusses Verantwortlichen, sondern auch um den Kenntnisstand der Mitarbeiter.

Beispiel: Gegenüber dem Vertriebsmitarbeiter M des Sonderbaumaschinenherstellers U wurde bereits im Oktober 2009 von einem Kunden K eine Schadensersatzforderung geltend gemacht. Obwohl M seinen Vorgesetzten V darüber unverzüglich informierte, erkannte U erst Ende Februar des folgenden Jahres die Forderung an und leistete eine Schadensersatzzahlung i. H. v. 250.000 Euro. Der für die Aufstellung des Jahresabschlusses 2009 verantwortliche kaufmännische Leiter des Unternehmens hat von dem Vorgang bis zum Tag der Aufstellung (10. Februar 2010) des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2009 keine Kenntnis und daher im Jahresabschluss 2009 auch keine entsprechende Rückstellung gebildet.

Ergebnis: Der den Jahresabschluss 2009 aufstellende Kaufmann ist der Sonderbaumaschinenhersteller U. Die Nichtkenntnis des kaufmännischen Leiters von dem Vorgang ist nicht relevant. Bis zum Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses (10. Februar 2010) liegt ein rückstellungsrelevanter Sachverhalt vor, der im Jahresabschluss auch zu berücksichtigen ist.

Verbrauch von Rückstellungen
Die im Vorjahr gebildeten Rückstellungen sind im Folgejahr bei Anfall der durch die Rückstellung vorweggenommenen Aufwendungen zu verbrauchen. Verbrauch einer Rückstellung bedeutet somit, dass die im Vorjahr gebildete Rückstellung in Anspruch genommen wird. Die im Folgejahr tatsächlich anfallenden Zahlungen werden direkt gegen die Rückstellungen – und somit nicht aufwandswirksam über die GuV – gebucht.

Sofern sich für eine im Vorjahr gebildete Rückstellung die im Folgejahr anfallenden Zahlungen nicht exakt identifizieren lassen, weil zum Beispiel eine große Anzahl von GuV-Konten betroffen ist, ist es in der Regel nicht zu beanstanden, wenn die Zahlungen zunächst ergebnismindernd über die GuV gebucht werden, und hierzu korrespondierend die Rückstellung über die Position "Erträge aus dem Verbrauch von Rückstellungen" aufgelöst wird.

Auflösung von Rückstellungen
Anders als bei beim Verbrauch bedeutet Auflösung einer Rückstellung, dass die im Vorjahr gebildete Rückstellung mangels Anfall entsprechender Zahlungen im Folgejahr ganz oder teilweise nicht mehr benötigt wird, etwa weil ein Prozess – für den eine Prozesskostenrückstellung gebildet wurde – nicht stattfindet oder die gegnerische Partei die Kosten übernehmen muss.