Die Schweinegrippe aus Sicht von Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Sind Arbeitnehmer oder Arbeitgeber von der Schweinegrippe betroffen, stellen sich eine Reihe von arbeitsrechtlichen Fragen, auf die hier näher eingegangen wird.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat vor Kurzem für die Schweinegrippe die höchste Warnstufe ausgerufen. Die Zahl der Schweinegrippe-Erkrankungen steigt in Deutschland ebenso wie in allen anderen europäischen Ländern stark an. Die Grippewelle kann bereits im Herbst ihren Höhepunkt erreichen.

Dabei kann die Schweinegrippe durchaus Dimensionen erreichen, die negative Auswirkungen auf das Wirtschaftsgeschehen in Deutschland haben. Von der Intensität der Schweinegrippe wird es abhängen, wie stark Unternehmen im Einzelfall erfasst werden und ob Arbeitsabläufe trotz Schweinegrippe im gewohnten Umfang sichergestellt werden können. Die Auswirkungen der Schweinegrippe zeigen sich bereits heute beim Einsatz von Arbeitnehmern außerhalb von Deutschland.

Schweinegrippe: Arbeitsrechtliche Fragen
Die Schweinegrippe kann schon bald zu zahlreichen arbeitsrechtlichen Fragestellungen führen, die insbesondere die gegenseitigen Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag betreffen.

Schweinegrippe: Pflicht zur Arbeitsleistung
Die Schweinegrippe berührt grundsätzlich nicht die Pflicht zur Arbeitsleistung. Arbeitnehmern stehen keine generellen Leistungsverweigerungsrechte zu, weil sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, während der Arbeit an Schweinegrippe zu erkranken.

Trotz Schweinegrippe bleiben Arbeitnehmer verpflichtet, die ihnen übertragenen Aufgaben zu erfüllen sowie den Anordnungen der Vorgesetzten Folge zu leisten.

Auf der anderen Seite kann der Arbeitgeber durchaus einzelne Arbeitnehmer in Ausnahmefällen von ihrer Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung entbinden.

Erscheint ein Arbeitnehmer aus Furcht vor der Schweinegrippe nicht zur Arbeit, so rechtfertigt dies grundsätzlich eine Abmahnung und im Wiederholungsfall sogar eine verhaltensbedingte Kündigung.

Ein Leistungsverweigerungsrecht kommt für in Deutschland tätige Arbeitnehmer auch dann nicht in Betracht, wenn Mitarbeiter aus einer gefährdeten Region (d. h. einer solchen Region, die von einer Reisewarnung betroffen ist) zurückkehren und ihre Tätigkeit im deutschen Unternehmen wieder aufnehmen.

Allerdings kann der Arbeitgeber bei erkennbaren Risiken aufgrund seiner arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht gehalten sein, die Gefahren einer Ansteckung an Schweinegrippe durch zurückkehrende Arbeitnehmer durch Aufklärungs- und andere Vorsichtsmaßnahmen zu vermindern.

Keine Anzeigepflicht für Schweinegrippeerkrankungen
Arbeitnehmer sind grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber die Art einer Erkrankung mitzuteilen. Auch im Falle einer Erkrankung an Schweinegrippe genügt es, wenn der Arbeitnehmer erklärt, dass er arbeitsunfähig erkrankt ist und ab dem dritten Krankheitstag seinem Arbeitgeber ein ärztliches Attest vorlegt.

Sollte sich die Schweinegrippe aber tatsächlich zu einer hochansteckenden und gefährlichen Krankheit entwickeln, wird man aus der allgemeinen arbeitsrechtlichen Treuepflicht des Arbeitsverhältnisses herleiten können, dass Arbeitnehmer ausnahmsweise die Art ihrer Erkrankung mitteilen sollten oder sogar müssen, damit der Arbeitgeber entsprechende Schutzmaßnahmen gegen eine Verbreitung der Schweinegrippe ergreifen kann.

Verständige Betriebsparteien sollten daher frühzeitig Regelungen treffen, die diesen und andere Punkte der Schweinegrippe regeln, etwa in Form von gesonderten Betriebsvereinbarungen zur Schweinegrippe.

Anordnung von Schutzmaßnahmen gegen Schweinegrippe
Wenn der Arbeitgeber einseitig bestimmte Maßnahmen gegen die Verbreitung von Schweinegrippe anordnet, so müssen diese von seinem Direktionsrecht (Weisungsrecht) gedeckt sein. Dieses Direktionsrecht kann der Arbeitgeber gemäß § 106 GewO nach "billigem Ermessen" ausüben.

Man wird davon ausgehen können, dass Maßnahmen, die der Vermeidung einer Schweinegrippe-Infektion im Betrieb dienen, von diesem Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt sind. Hierzu könnte zum Beispiel die Verpflichtung zum Tragen eines Mundschutzes oder zur Nutzung von Desinfektionsmitteln gehören.

Gibt es einen Betriebsrat, so ist bei solchen Maßnahmen, die der Nicht-Verbreitung der Schweinegrippe dienen, das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu berücksichtigen, da das sogenannte Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer betroffen ist.

Seine Grenzen findet das Direktionsrecht des Arbeitgebers aber dann, wenn zur Vermeidung einer Schweinegrippe-Infektion massiv in das grundgesetzlich geschützte Persönlichkeitsrecht oder in das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Arbeitnehmers eingegriffen wird.

Insbesondere wird der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer derzeit nicht verpflichten können, sich gegen die Schweinegrippe impfen zu lassen. Selbst einer Anordnung des Arbeitgebers, sich ärztlich untersuchen zu lassen, wird der Arbeitnehmer in der Regel nicht nachkommen müssen.

Erhöhtes Betriebsrisiko durch Schweinegrippe
Kann der Arbeitgeber für den Fall einer hohen Anzahl an Schweinegrippe-Erkrankungen seinen Betrieb nicht aufrechterhalten, so trägt er das Betriebsrisiko, soweit Arbeitnehmer arbeitswillig und -fähig sind.

Um die negativen Folgen der Schweinegrippe etwas abzufedern, kann der Arbeitgeber zum Beispiel in Abstimmung mit dem Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG Kurzarbeit anordnen. Ferner ist der Arbeitgeber in besonderen Situationen – insbesondere in Notfällen – berechtigt, Überstunden anzuordnen. Der Arbeitnehmer ist aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Treuepflicht in solchen Situationen verpflichtet, Arbeiten auch über das arbeitsvertraglich Vereinbarte hinaus zu übernehmen.

Um z. B. Ansteckungen an Schweinegrippe zu vermeiden, ist der Arbeitgeber ferner berechtigt, einzelne Mitarbeiter bei Verdacht einer Schweinegrippe-Erkrankung unter Fortzahlung ihrer Vergütungen von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freizustellen.

Vorbeugende Maßnahmen gegen Folgen der Schweinegrippe
Um größere Betriebsstörungen durch die Schweinegrippe zu verhindern, können Vorkehrungen getroffen werden, welche die notwendigen Betriebsabläufe auch im Falle einer hohen Zahl an Schweinegrippe-Erkrankungen sicher stellen sollen. Vor allem bietet es sich an, eine Rahmenbetriebsvereinbarung für den Fall von Schweinegrippe-Erkrankungen abzuschließen, die insbesondere auf folgende Punkte eingeht:

  • Regelung von Maßnahmen, die im Zusammenhang mit dem Auftreten der Schweinegrippe zum Schutz der Gesundheit der Mitarbeiter erforderlich sind.
  • Festlegung von Verhaltensregeln, die im Falle der Schweinegrippe zu beachten sind, wie zum Beispiel das Tragen von Schutzmasken, regelmäßiges Desinfizieren der Hände etc.
  • Vereinbarungen darüber, dass der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern im Falle des Ausbruchs der Schweinegrippe auch solche Arbeiten zuweisen darf, die vertraglich nicht geschuldet sind.
  • Möglichkeiten zur Anordnung von Heim- oder Telearbeit und Kurzarbeit im Falle der Schweinegrippe.
  • Auf den Schweinegrippe-Fall abgestimmte Urlaubsregelungen, aus denen klar hervorgeht, in welchem Umfang Arbeitnehmer berechtigt sind Überstunden abzubauen, unbezahlten Urlaub zu beantragen etc.

Schweinegrippe: Entgeltfortzahlungsanspruch
Ist ein Arbeitnehmer infolge der Schweinegrippe arbeitsunfähig, so hat er Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung. Dieser Entgeltfortzahlungsanspruch kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn dem Arbeitnehmer hinsichtlich der Schweinegrippe-Erkrankung kein Verschulden trifft. Ein Verschulden käme etwa in Betracht, wenn der Mitarbeiter im Rahmen einer Privatreise gegen eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes verstoßen hat.

Der Arbeitnehmer ist daher auf Verlangen seines Arbeitgebers verpflichtet, die für die Entstehung der Erkrankung an Schweinegrippe erheblichen Umstände im Einzelnen darzulegen. Verletzt er diese Mitwirkungspflichten, so geht dies zu seinen Lasten.

Schweinegrippe: Urlaubsansprüche
Sofern ein Arbeitnehmer während seines Urlaubs (unverschuldet) an Schweinegrippe erkrankt, so werden die durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Jahresurlaub angerechnet.