EuGH kippt HGB-Regelung zum Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters

Durch eine Entscheidung des EuGH wird sich das deutsche Recht zum Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters ändern müssen.

Das Handelsvertreterrecht und damit auch der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters ist in der EU leider nur vermeintlich einheitlich geregelt.

Die Handelsvertreterrichtlinie
Einheitliche Grundlage für das Handelsvertreterrecht ist die sogenannte Handelsvertreterrichtlinie von 1986.

Diese und andere Richtlinien lassen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union einen gewissen Umsetzungsspielraum, der von den EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich genutzt wird. Teilweise wird der zur Verfügung stehende Spielraum aber auch – bewusst oder unbewusst – überschritten.

Auch im deutschen Recht gibt es einige Abweichungen von der Handelsvertreterrichtlinie. Eine davon stand auf dem Prüfstand des EuGH – und ist durchgefallen. Konkret ging es hierbei um eine Diskrepanz zwischen Art. 17 Abs. 2 Handelsvertreterrichtlinie und § 89 b Abs. 1 HGB.

Nach deutschem Recht in § 89 b Abs. 1 Nr. 2 HGB setzt der Ausgleichsanspruch – anders als die Handelsvertreterrichtlinie – zwingend voraus, dass der Handelsvertreter wegen der Vertragsbeendigung Provisionsansprüche verliert.

Tabelle 1: Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach Handelsvertreterrichtlinie und HGB

Art. 17 der Handelsvertreterrichtlinie

§ 89 b Absatz 1 HGB

(1) Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen dafür, dass der Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses Anspruch auf Ausgleich nach Absatz 2 oder Schadensersatz nach Absatz 3 hat.

(2) a) Der Handelsvertreter hat Anspruch auf einen Ausgleich, wenn und soweit

  • er für den Unternehmer neue Kunden geworben oder die Geschäftsverbindungen mit vorhandenen Kunden wesentlich erweitert hat und der Unternehmer aus den Geschäften mit diesen Kunden noch erhebliche Vorteile zieht und
  • die Zahlung eines solchen Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass zu diesen Umständen auch die Anwendung oder Nichtanwendung einer Wettbewerbsabrede im Sinne des Artikels 20 gehört.

(2) b)            Der Ausgleich darf einen Betrag nicht überschreiten, der einem jährlichen Ausgleich entspricht, der aus dem Jahresdurchschnittsbetrag der Vergütungen, die der Handelsvertreter während der letzten fünf Jahre erhalten hat, errechnet wird; ist der Vertrag vor weniger als fünf Jahren geschlossen worden, wird der Ausgleich nach dem Durchschnittsbetrag des entsprechenden Zeitraums ermittelt.

(2) c)             Die Gewährung dieses Ausgleichs schließt nicht das Recht des Handelsvertreters aus, Schadensersatzansprüche geltend zu machen.

Der Handelsvertreter kann von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit

  1. Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat,
  2. der Handelsvertreter infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses Ansprüche auf Provision verliert, die er bei Fortsetzung desselben aus bereits abgeschlossenen oder künftig zustande kommenden Geschäften mit den von ihm geworbenen Kunden hätte, und
  3. die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entspricht. Der Werbung eines neuen Kunden steht es gleich, wenn der Handelsvertreter die Geschäftsverbindung mit einem Kunden so wesentlich erweitert hat, dass dies wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden entspricht.

 

Der Ausgleichsanspruch nach HGB
Nach deutscher Rechtsauffassung haben die drei Tatbestandsmerkmale zum Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, so wie er in § 89 b Abs. 1 HGB geregelt ist, kumulativen Charakter und begrenzen einander. Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters kann danach nicht höher als der niedrigste Betrag sein, der sich unter einer der drei Nummern ergibt.

Bei europarechtskonformer Auslegung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters kann der Provisionsverlust hingegen nur im Rahmen der Billigkeit Berücksichtigung finden, nicht jedoch als eigene zwingende Anspruchsvoraussetzung. Diese in der deutschen Literatur vertretene Ansicht wurde nunmehr vom EuGH mit Urteil vom 26. 03. 2009 (C-348/07) bestätigt. In der Begründung zur Entscheidung heißt es unter anderem:

"Art. 17 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter ist dahin auszulegen, dass er nicht erlaubt, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters von vornherein durch seine Provisionsverluste in Folge der Beendigung des Vertragsverhältnisses begrenzt wird, auch wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind."

In der Begründung wird ferner angeführt, dass der Gestaltungsspielraum der einzelnen Mitgliedsstaaten zur Anpassung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters, nicht dahin ausgelegt werden kann, dass dieser Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters ausschließlich nach unten angepasst werden darf. Mit einer solchen Auslegung des Art. 17 Abs. 2 a wäre es ermöglicht, jede Erhöhung des Ausgleichsanspruchs von vornherein auszuschließen.

Ausgleichsanspruch bei Konzernen
Im zweiten Teil des Urteils zum Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters beschäftigt sich der EuGH mit der Frage, wie die Vorteile zu berechnen sind, die der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden erzielt, die der Handelsvertreter geworben hat.

Im Mittelpunkt stand hierbei die Frage, ob bei Konzernunternehmen nur die Vorteile des vertragsschließenden Unternehmers oder auch der Konzerngesellschaften berücksichtigt werden, soweit der Unternehmer einem Konzern angehört. Hier lautet der Tenor des EuGH-Urteils:

"Art. 17 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie ist dahin auszulegen, dass, falls der Unternehmer einem Konzern angehört, die den Konzerngesellschaften zufließenden Vorteile grundsätzlich nicht zu den Vorteilen des Unternehmers gehören und damit bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters nicht notwendig zu berücksichtigen sind."

Der EuGH begründet dies in seinem Urteil zum Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters im Wesentlichen damit, dass Vorteile Dritter generell nicht berücksichtigt werden, soweit der Vertrag zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter dies nicht vorsieht, da dies die Sicherheit des Handelsverkehrs und damit die Rechtssicherheit auf dem Gebiet der Handelsvertretung nicht fördern würde.