Bewertungsgrundsätze, die beim Jahresabschluss zu beachten sind

Durch das BilMoG sind erstmals umfangreiche allgemeine Bewertungsgrundsätze in das HGB aufgenommen worden, die von allen Kaufleuten zu beachten sind. Lediglich in begründeten Ausnahmefällen darf gemäß § 252 Abs. 2 HGB von ihnen abgewichen werden.

Die gesetzliche Aufzählung in § 252 HGB über die allgemeinen Bewertungsgrundsätze ist nicht abschließend. Sie müssen daher auch die Bewertungsregeln der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) beachten, denn diese sind gemäß § 243 Abs. 1 HGB ebenfalls anzuwenden.

Hinweis: Zu den nicht ausdrücklich genannten Bewertungsgrundsätzen gehören z. B. der Grundsatz der Methodenbestimmtheit, das Willkürverbot und das Prinzip der Wesentlichkeit.

Bewertungsgrundsätze: Grundsatz der Vorsicht und Periodenabgrenzung
Der Grundsatz der Vorsicht und Periodenabgrenzung ergibt sich aus § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB. Danach "… ist vorsichtig zu bewerten". Den Vorsichtsgrundsatz können Sie quasi als Oberbegriff verstehen, der inhaltlich durch das Realisationsprinzip und das Imparitätsprinzip geprägt wird.

Das Realisationsprinzip gehört zu den bedeutenden Bewertungsgrundsätzen, da es einen wesentlichen Aspekt der Erfolgsermittlung betrifft. In § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB wird es wie folgt beschrieben: "Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind."

Mit diesem Bewertungsgrundsatz wird Ihre Frage beantwortet, ab wann ein Erfolg – zum Beispiel durch den Verkauf Ihrer Produkte oder Dienstleistungen – als entstanden gilt. Ferner wird damit der Zeitpunkt festgelegt, bis zu dem Sie Ihre Leistungen erfolgsneutral behandeln müssen, d. h. beispielsweise Ihre hergestellten Produkte zu den Anschaffungs- oder Herstellungsaufwendungen ansetzen müssen.

Hinweis: Nach den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen ist für die Gewinnrealisation ein Umsatzgeschäft, d. h. eine Außenbeziehung Ihres Unternehmens, erforderlich. Mit anderen Worten: Sie müssen Ihre Leistung gegenüber einem Dritten erbracht haben, sodass der Anspruch auf eine Gegenleistung entstanden ist.

Der Zweck dieses Bewertungsgrundsatzes liegt darin, dass Gewinne erst ausgewiesen werden sollen und für Ausschüttungszwecke zur Verfügung stehen, wenn sie durch Umsatzerlöse realisiert sind.

Bewertungsgrundsätze: Periodenabgrenzung
Beim Bewertungsgrundsatz der Periodenabgrenzung müssen Sie eine zeitliche und eine sachliche Abgrenzungskomponente beachten.

Zunächst einmal sind Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahres, losgelöst von tatsächlichen Zahlungsvorgängen, in dem Wirtschaftsjahr zu berücksichtigen, zu dem sie gehören. Ziel der Bewertungsgrundsätze ist es, den Umsatzerlösen in sachlicher Hinsicht diejenigen Aufwendungen zuzuordnen, die für die Umsatzrealisierung erforderlich waren.

Die sachliche Abgrenzung dieses Bewertungsgrundsatzes betrifft die periodengleiche Erfassung der realisierten Umsätze und der ihnen zugrunde liegenden Aufwendungen unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt Zahlungen getätigt werden.

Beachten Sie: Nach den Bewertungsgrundsätzen ist das maßgebende Kriterium für die Zuordnung der Aufwendungen die wirtschaftliche Verursachung (Verursachungsprinzip). Zeitraumbezogene Aufwendungen (Versicherungen, Mieten etc.) oder Einnahmen berücksichtigen Sie daher zeitanteilig. Hierzu teilen Sie einfach die Aufwendungen bzw. Erträge auf die jeweiligen Geschäftsjahre auf, zu denen sie wirtschaftlich gehören.

Bewertungsgrundsätze in Jahresabschlussvorschriften
Das Imparitätsprinzip – als einer der wichtigen Bewertungsgrundsätze – kommt in den Jahresabschlussvorschriften insbesondere zum Ausdruck.

Bekommen Sie in der Zeit zwischen dem Bilanzstichtag und dem Tag der Bilanzaufstellung neue und/oder bessere Informationen über Ihre Vermögensverhältnisse am Abschlussstichtag, so stellt sich die Frage, ob und inwieweit Sie diese neuen Erkenntnisse zu berücksichtigen haben. Diesbezüglich können Sie zwischen

  • wertaufhellenden Tatsachen und Ereignissen, die bereits im abgelaufenen Wirtschaftsjahr verursacht bzw. entstanden sind und
  • sogenannten wertbeeinflussenden Vorgängen, die tatsächlich erst nach dem Bilanzstichtag eintreten,

unterscheiden. Nach dem Wertaufhellungsprinzip haben Sie die Ihnen zunächst unbekannten aber objektiv am Bilanzstichtag entstandenen Verluste und Risiken im Jahresabschluss zu berücksichtigen, die späteren wertbeeinflussenden Tatsachen dagegen grundsätzlich nicht.

Grundsatz der Bilanzidentität
Bilanzidentität besagt, dass die Wertansätze der Eröffnungsbilanz des neuen mit denjenigen der Schlussbilanz des vorhergehenden Wirtschaftsjahres übereinstimmen müssen.

Beachten Sie: Beim Übergang vom alten auf das neue Geschäftsjahr dürfen Sie keine Wertabweichungen ausweisen, da diese sonst erfolgsmäßig nicht berücksichtigt würden.

Dieser Bewertungsgrundsatz dient somit auch dem Zweck, Abweichungen zwischen dem Totalgewinn Ihres Unternehmens einerseits und der Summe der einzelnen Periodenerfolge andererseits zu verhindern.

Bewertungsgrundsätze: Unternehmensfortführung
Im Rahmen der Erstellung des Jahresabschlusses ist nach diesem Bewertungsgrundsatz davon auszugehen, dass Sie Ihre Unternehmenstätigkeit fortsetzen werden, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen. Man bezeichnet diesen Bewertungsgrundsatz daher auch als "going-concern-Prinzip".

Dieser Grundsatz – der ebenfalls zu den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen zu rechnen ist – geht davon aus, dass Sie den einzelnen Bilanzierungsgegenständen im Fortführungsfall i. d. R. andere Werte als bei einer Einstellung des Geschäftsbetriebs zuordnen werden.

Meine Empfehlung: Liegen am Bilanzstichtag keine Erkenntnisse oder Anhaltspunkte vor, die gegen eine Fortsetzung des Betriebs sprechen, wenden Sie die Bewertungsregeln der §§ 253 bis 256a HGB an. Planen Sie hingegen eine Geschäftsaufgabe bzw. Liquidation, müssen Sie als Bewertungsmaßstab die voraussichtlich erzielbaren Liquidationserlöse heranziehen.

Bewertungsgrundsätze: Stichtagsbezogenheit und Einzelbewertung
Zu den allgemeinen Bewertungsgrundätzen gehört es auch, die Vermögensgegenstände und Schulden nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag zu bewerten.

Nach dem Bewertungsgrundsatz der Einzelbewertung müssen Sie jeden Vermögensgegenstand und jeden Schuldposten einzeln bewerten und dabei Risiken und Chancen getrennt für jeden Bilanzierungsgegenstand ermitteln und beurteilen.

Mein Tipp: Auf eine Einzelerfassung können Sie verzichten, wenn diese unmöglich ist oder mit einem erheblichen Aufwand verbunden wäre. Entsprechende Probleme treten vor allem bei schwer trennbaren, gleichartigen Gegenständen des Umlaufvermögens auf. Hier könnten Sie beispielsweise prüfen, ob eine Zusammenfassung mehrerer Einzelteile zu einer Bewertungseinheit oder eine Sammelbewertung in Betracht kommt.

Beachten Sie: Anders als bei vielen anderen Bewertungsgrundsätzen können Sie beim Grundsatz der Einzelbewertung in zweifacher Hinsicht davon abweichen. Bei einer offensichtlich unmöglichen Einzelwertermittlung oder bei einem unvertretbaren Aufwand können Sie gemäß § 252 Abs. 2 HGB (begründete Ausnahmefälle) eine Sammelbewertung (z. B. gewogene Durchschnittsmethode) durchführen.

Auch können Sie Vermögensgegenstände, die dem Zugriff aller übrigen Gläubiger entzogen sind und der Erfüllung von Schulden aus der Altersversorgungsverpflichtung dienen, mit diesen Schulden verrechnen.

Bewertungsgrundsätze: Bewertungsstetigkeit
Bewertungsstetigkeit bedeutet, dass Sie die auf den vorhergehenden Jahresabschluss angewandten Bewertungsmethoden beibehalten sollen. Der Zweck liegt in der besseren Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse im Zeitablauf.

Dieser Bewertungsgrundsatz ist – wie alle Bewertungsgrundsätze – von allen Kaufleuten zu beachten, wobei Kapitalgesellschaften zusätzliche Angaben und Begründungen im Anhang anzugeben haben. Der Grundsatz bezieht sich sowohl auf die Bewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB) als auch auf den Bereich der Bilanzierung (§ 246 Abs. 3 S. 1 HGB).