Krankheitsbedingte Kündigung ohne betriebliches Eingliederungsmanagement

Ist ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen krank, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, diesem Arbeitnehmer die Durchführung eines sogenannten betrieblichen Eingliederungsmanagements anzubieten.

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich bereits in zwei Entscheidungen aus den Jahren 2007 und 2008 zur Bedeutung des betrieblichen Eingliederungsmanagements im Zusammenhang mit krankheitsbedingten Kündigungen geäußert. Jetzt hat das Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung vom 10.12.2009 (Az.: 2 AZR 400/08) insbesondere die Anforderungen konkretisiert, ab wann ein Arbeitgeber vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung auf die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements verzichten kann.

Betriebliches Eingliederungsmanagement

Ist ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig krankgeschrieben, so ist der Arbeitgeber nach § 84 Abs. 2 SGB IX verpflichtet, dem Arbeitnehmer die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements anzubieten.

Ist der Arbeitnehmer mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement einverstanden, so klären er und der Arbeitgeber gemeinsam mit dem Betriebsrat, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst schnell überwunden und durch welche Maßnahmen eine erneute Arbeitsunfähigkeit am besten verhindert werden kann.

Wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer krankheitsbedingt kündigt, ohne dem Arbeitnehmer zuvor ein betriebliches Eingliederungsmanagement angeboten zu haben, so kann dies nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Az.: 2 AZR 716/06 sowie Az.: 2 AZR 1012/06) in einem anschließenden Kündigungsschutzverfahren mit Nachteilen für den Arbeitgeber verbunden sein.

Insbesondere muss der Arbeitgeber, der dem Arbeitnehmer kein betriebliches Eingliederungsmanagement angeboten hat, im Arbeitsprozess darlegen und beweisen, dass er sämtliche denkbaren Maßnahmen durchgeführt hat, die zu einer leidensgerechten Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses führen könnten, und diese keinen Erfolg hatten.

Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer demgegenüber ein betriebliches Eingliederungsmanagement angeboten und wurde dies erfolglos durchgeführt, so genügt der Arbeitgeber seiner Darlegungsverpflichtung, wenn er im Arbeitsprozess auf diesen Umstand hinweist und darlegt, dass keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen.

Betriebliches Eingliederungsmanagement: Sachverhalt

In dem vom Bundesarbeitsgericht zu entscheidenden Sachverhalt ging es um eine Arbeitnehmerin, die seit 2003 über einen Zeitraum von 4 Jahren krankheitsbedingt zwischen 33 und 96 Arbeitstage pro Jahr fehlte. Im Rahmen eines ersten Rückkehrergespräches empfahl ihr die Betriebsärztin Anfang des Jahres 2004 eine Reduzierung der Arbeitszeit oder eine Versetzung. Die Arbeitnehmerin lehnte beide Vorschläge ab.

Anfang 2006 wurde die Betriebsärztin erneut eingeschaltet. Diesmal empfahl die Ärztin der Arbeitnehmerin die Einleitung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme. Auch dies wurde von der Arbeitnehmerin mit der Begründung abgelehnt, dass sie sich dann nicht mehr um ihre Kinder kümmern könne. Nach einem weiteren erfolglosen Gespräch kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitnehmerin wegen erheblicher Fehlzeiten. Die hiergegen gerichtete Klage wurde in erster und zweiter Instanz abgewiesen. Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts seien die mit der Arbeitnehmerin geführten Gespräche im Hinblick auf die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes betriebliches Eingliederungsmanagement ausreichend gewesen.

Betriebliches Eingliederungsmanagement: Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes

Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements der Einwilligung des Arbeitnehmers bedürfe. Danach muss bei einer Weigerung eines Arbeitnehmers grundsätzlich kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt werden.

Im zu entscheidenden Fall kann nach Auffassung des Gerichtes die spontane Ablehnung der Arbeitnehmerin gegenüber der Betriebsärztin mit dem Hinweis, sie müsse ihre Kinder betreuen, nicht als Weigerung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements verstanden werden. Der Arbeitgeber hätte die Arbeitnehmerin vielmehr zur Teilnahme an der Rehabilitationsmaßnahme mit dem deutlichen Hinweis auffordern müssen, dass im Weigerungsfall eine Kündigung folgen kann. Nur dann braucht der Arbeitgeber die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht mehr als milderes Mittel vor Ausspruch einer Kündigung zu berücksichtigen.

Aufforderung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements

Bedingt durch diese neue Rechtsprechung empfiehlt es sich, vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung zu prüfen, ob ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt werden muss.

Unterlässt der Arbeitgeber die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements, so muss er in einem Prozess mit Nachteilen rechnen. Sollte der Arbeitnehmer seine Zustimmung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements verweigern, sollte der Arbeitgeber darauf achten, dass die Aufforderung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements seitens des Arbeitgebers nachweislich erfolgte und der Arbeitnehmer mit einer krankheitsbedingten Kündigung rechnen muss. Darüber hinaus sollte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements hinweisen.

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