Kein Vertrauensschutz bei der Verkürzung von Kündigungsfristen

Durch Entscheidung vom 19.01.2010 beurteilte der EuGH die Vorschrift des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB als gemeinschaftsrechtswidrig (Rs. C-555/07). Diese Vorschrift regelte, dass Beschäftigungszeiten vor dem 25. Lebensjahr bei der Berechnung der Kündigungsfristen nicht beachtet wurden.

Die deutschen Gerichte sind gehalten, diese Auffassung des EuGH umzusetzen. Damit sind jetzt auch solche Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers bei der Berechnung der Kündigungsfristen zu berücksichtigen, die vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegen. Für die Verlängerung der Kündigungsfrist kommt es jetzt gem. § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB ausschließlich auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit an.

Es stellt sich die Frage, ob in noch nicht abgeschlossenen Kündigungsschutzverfahren möglicherweise eine "Zeitbombe“ schlummert. Dies dann, wenn der Arbeitgeber auf die Geltung des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB vertraut hat und Zeiten, die vor Vollendung des 25. Lebensjahres lagen, bei der Berechnung der Kündigungsfrist nicht berücksichtigt hat.

Das EuGH-Urteil selbst sagt zu diesem Problem nichts, geht nicht auf die Frage des Vertrauensschutzes ein. Letztendlich ist daher eine Interessenabwägung erforderlich: Einerseits das Interesse des Arbeitnehmers an einer europarechtskonformen Gestaltung der Kündigungsfristen, andererseits das des Arbeitgebers an dem Vertrauen in die Gültigkeit des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB.

Diese Interessenabwägung bei den Kündigungsfristen wird in der Regel zu Lasten des Arbeitgebers ausfallen. Die Frage der Vereinbarkeit der Kündigungsfrist in § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB mit Europarecht ist bereits seit 2005 juristisch sehr kontrovers diskutiert worden.

Man musste daher damit rechnen, dass spätestens für Kündigungen, die nach Ablauf der Umsetzungsfrist der maßgeblichen EU-Richtlinie 2000/78 am 2.12.2006 erfolgt sind, die Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht mehr anzuwenden war.

Vertrauensschutz und Kündigungsfristen
Generell wird man sagen können, dass die Gewährung von Vertrauensschutz für den Arbeitgeber nicht möglich ist, wenn ein noch offener Streit über die Kündigung schwebt und die "rückwirkende" Verlängerung der Kündigungsfrist keine unzumutbare Härte für den Arbeitgeber bedeuten oder seine Existenz gefährden würde. Das wird man nur in engen Ausnahmefällen annehmen können.

Kündigungsfristen und Taktik
Wenn Sie so argumentieren wollen, werden Sie dem Gericht umfangreiche Argumente und Tatsachen für die Unzumutbarkeit der längeren Kündigungsfrist vorlegen müssen. Daher kann es für Sie in solchen Fällen sinnvoller sein, sich einem Vergleich anzuschließen und die Sache damit zu beenden.