Die Urlaubsabgeltung geht im Todesfall auf Erben über

Grundsätzlich ist noch nicht genommener Urlaub abzugelten, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommen werden kann. Was passiert aber, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet? Zu dieser Frage hat nun der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 12. Juni 2014 - C118/13 Stellung genommen.

Der Europäische Gerichtshof bestätigt in seinem Urteil die Rechtsauffassung nach der nach dem Tod des Arbeitnehmers der Urlaubsanspruch nicht erlischt. Dieser Anspruch auf Urlaubsabgeltung geht auf die Erben des Arbeitnehmers über, auch wenn der Arbeitnehmer vor seinem Tod keinen Antrag auf Abgeltung gestellt hat. Der Europäische Gerichtshof stellt seine Rechtsprechung auf Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ab.

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Die Rechtslage

Das Unionrecht legt in dieser Richtlinie fest, dass die Mitgliedsstaaten zu garantieren haben,  dass der bezahlte Mindestjahresurlaub außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden darf.

Der § 7 Abs. 4 des Bundesurlaubsgesetzes  sieht vor: "Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten." Nach § 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geht mit dem Tod einer Person (Erbfall) deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere Personen (Erben) über.

Das Urteil des EuGH

Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofes sind diese Vorschriften des deutschen Rechtes mit dem Unionsrecht vereinbar. Dem Urteil liegt der Fall eines verstorbenen Arbeitnehmers aus Deutschland vor. Frau B. ist die Alleinerbin ihres verstorbenen Ehegatten, der vom 1. August 1998 bis zu seinem Tod am 19. November 2010 bei K + K beschäftigt war. Herr B. war seit dem Jahr 2009 schwer erkrankt. In jenem Jahr war er acht Monate arbeitsunfähig. Arbeitsunfähigkeit bestand auch vom 11. Oktober 2010 bis zu seinem Tod. Zum Zeitpunkt seines Todes hatte Herr Bollacke unstreitig Anspruch auf mindestens 140, 5 offene Tage Jahresurlaub.

Herr B hatte keinen Antrag auf Abgeltung gestellt.  Mit Schreiben vom 31. Januar 2011 machte Frau B. gegenüber K + K Abgeltungsansprüche für diese nicht genommenen Urlaubstage geltend. K + K wies die Forderung mit der Begründung zurück, dass Zweifel daran bestünden, dass es sich um einen vererbbaren Anspruch handle. Das im ersten Rechtszug entscheidende Gericht, vor das Frau B. diese Forderung brachte, wies die Klage mit der Begründung ab, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Anspruch auf Abgeltung des bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Arbeitnehmers nicht entstehe. 

Die Position des LAG Hamm

Das Landesarbeitsgericht Hamm legte dem Europäischen Gerichtshof diese Verfahren zur Prüfung vor, ob die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Der EUGH verweist zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs hin, wonach der Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen ist.

Von dem darf nicht abgewichen werden und die zuständigen nationalen Stellen dürfen ihn nur in den Grenzen umsetzen, die in der durch die Richtlinie 2003/88 kodifizierten Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 307, S. 18) selbst ausdrücklich gezogen werden (vgl. Urteile Schultz-Hoff u. a., C-350/06 und C-520/06, EU: C: 2009: 18, Rn. 22, KHS, C-214/10, EU: C: 2011: 761, Rn. 23, und Dominguez, C-282/10, EU: C: 2012: 33, Rn. 16).

Schließlich hatte der Gerichtshof bereits festgestellt, dass der Arbeitnehmer, wenn das Arbeitsverhältnis geendet hat und es deshalb nicht mehr möglich ist, tatsächlich bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 Anspruch auf eine Vergütung hat, um zu verhindern, dass ihm wegen dieser Unmöglichkeit jeder Genuss des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub, selbst in finanzieller Form, vorenthalten wird.

Fazit

Dieses hat auch für den Fall des Todes des Arbeitnehmers zu gelten. Schließlich erweist sich ein finanzieller Ausgleich, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers geendet hat, als unerlässlich, um die praktische Wirksamkeit des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub sicherzustellen, der dem Arbeitnehmer nach der Richtlinie 2003/88 zusteht.

In der Praxis ist daher darauf zu achten, dass der noch offene Jahresurlaub finanziell abzugelten ist, auch wenn der Arbeitnehmer verstorben ist. Die Abgeltung ist an die Erben auszuzahlen.