Brille vergessen und Aufhebungsvertrag nicht gelesen: Unterschrift gilt trotzdem

Ein Arbeitnehmer hatte mit seinem Arbeitgeber einen Vertrag unterzeichnet, in dem er sich mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses einverstanden erklärte. Später bereute der Mitarbeiter seine Entscheidung und wollte diese Erklärung anfechten. Er habe die Vereinbarung vor seiner Unterschrift nicht lesen können, weil er seine Lesebrille nicht zur Hand gehabt habe.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz sah für eine Anfechtung keinen Grund. Der Aufhebungsvertrag sei rechtsgültig. Wer ein Schriftstück nicht lesen kann, dürfe es nicht unterschreiben. Tut er das dennoch, berechtige dies nicht zur Anfechtung (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.10.2005, Az.: 7 Sa 167/05).
 
Anfechtung nur ganz ausnahmsweise
Wie überall, so gilt auch im Arbeitsrecht der Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind. Deshalb kann auch ein Aufhebungsvertrag nur ganz ausnahmsweise angefochten werden. Erst recht gilt nicht der Einwand des Arbeitnehmers, er habe den Aufhebungsvertrag vor der Unterschrift nicht gelesen. Er hat nämlich die Pflicht, sich vor dem Abschluss des Aufhebungsvertrags genauestens über dessen Inhalt zu informieren. Kann er ihn nicht lesen oder ist ihm der Inhalt unklar, muss er nachfragen oder die Unterschrift ablehnen. Eine Anfechtung des Aufhebungsvertrags kommt in der Praxis nur wegen Drohung oder arglistiger Täuschung in Betracht. Das kann der Fall sein bei rechtsgrundloser Androhung einer Strafanzeige oder eines Schadenersatzprozesses.
 
Hier besteht kein Anfechtungsrecht
In den folgenden Fällen hat der Arbeitnehmer kein Anfechtungsrecht. Daher können Sie auf dem abgeschlossenen Aufhebungsvertrag bestehen:

  • Nachträglich festgestellte Schwangerschaft oder Schwerbehinderteneigenschaft
  • Irrtum über mutterschutzrechtliche Folgen
  • Androhen einer Kündigung, wenn Sie diese angesichts des Sachverhalts hätten aussprechen können
  • Fehlen einer Bedenkzeit Androhung einer Strafanzeige wegen einer bei der Arbeit begangenen Straftat
  • Irrtum über sozialrechtliche Folgen des Aufhebungsvertrags (z.B. Sperrzeit beim Arbeitslosengeld)