Die betrieblichen Interessenvertretung: Aufgaben der Zukunft

„Man kann den Fortschritt nicht aufhalten“ ist ein geflügeltes Wort, welches jedem von uns allen schon mal begegnet ist. Das trifft auf die Wissenschaft respektive die Medizin und ganz besonders auf die revolutionierende Technik jüngster Zeit uneingeschränkt zu. Dieser Artikel beschäftigt sich mit den bereits erreichten Zielen und den Aufgaben der Zukunft für die betriebliche Interessenvertretung.

Dem gegenüber steht das ebenso wichtige Vorankommen in den Bereichen Sozialverständnis, Integration, Inklusion und Mitbestimmung in den Betrieben und Unternehmen. Das betrifft nachrückende Generationen Jugendlicher Auszubildender und in besonderem Maße behinderte Mitmenschen. Die etwas schwerfällige Entwicklung scheint sich bis in unsere Zeit hinein fortzusetzen. Wäre es doch naheliegender zuerst die Grundlage für ein gemeinsames Miteinander zu schaffen, als mit neuesten Technologien aufzuwarten. Die Schieflage beider Entwicklungen zueinander ist immer noch nicht zu 100 Prozent austariert.

Wer in der heutigen Zeit lebt, in der betriebliche Mitbestimmung fast schon ein sozialbedingtes ’Muss’ ist, es dennoch nicht überall so empfunden und gelebt wird, der wird sich kaum vorstellen können, dass erste Forderungen der Arbeiter nach sogenannten ’Fabrikausschüssen’ erst 160 Jahre zurückliegen.

Bis 1899: Begrenztes Mitspracherecht

Begrenzte Mitspracherechte wurden sogar erst 1899 im Zuge der Hochindustrialisierung geschaffen und sollten noch einen langen historischen Prozess vor sich haben. Ganze 25 Jahre später wurden unter schlechtesten Bedingungen, nämlich die, des ersten Weltkrieges, Arbeiterausschüsse obligatorisch vorgeschrieben. Das ’Gesetz über den Vaterländischen Hilfsdienst’ wurde als Meilenstein angesehen.

Die sich in den letzten Kriegsjahren anbahnende Annäherung der Politik der Arbeitsgemeinschaft von Arbeitgebern und Vertreter der Arbeiterschaft, machte Anfang 1920 unter dem Druck politischer Unruhen den Weg frei für die Verabschiedung eines Betriebsrätegesetzes. Diese Zäsur im Werdegang betrieblicher Interessenvertretung wird nicht umsonst ihrer historischen Bedeutung wegen als geschichtlicher Durchbruch gefeiert, an dem zum Ende des zweiten Weltkrieges 1945 nahtlos angeknüpft wurde.

Was umso schwieriger war, weil das NS-Regime mit allen Formen der Betriebsverfassung seit 1899 rigoros gebrochen hatte. Aus der frühzeitlichen Akzentverschiebung, die Idee einer Sozialpartnerschaft im Sinne der katholischen Soziallehre zu begreifen, entwickelte sich die betriebliche Interessenvertretung in der Bundesrepublik hin zu einer Konfliktpartnerschaft.

Betriebliche Interessenvertretungen erarbeiteten sich langsam die gewünschte Außenwirkung einer demokratischen Arbeitswelt. Soll heißen, die Verknüpfung wirtschaftlicher Produktivität mit dem zerbrechlichen Gedanken der Gerechtigkeit in Einklang zu bringen.

Der Weg ist das Ziel

Seit Mitte der 1990 er Jahre konnte man das leise Ende ideologischer Grabenkämpfe zwischen den Betriebsparteien Arbeitgeber auf der einen, und Betriebsrat auf der anderen Seite, registrieren. Die Chancen und Potenziale einer Betriebsverfassung berühren die Interessen des Kapitals ebenso, wie die der Arbeit. Sie kommen beiden Seiten gleichermaßen zugute. Die Reformerwartungen der Gewerkschaften des Mitbestimmungsgesetzes aus dem Jahre 1972 haben sich ihrem Verständnis nach nicht ganz erfüllt.

Dennoch hat es die Aktionsmöglichkeiten der Interessenvertretungen nachhaltig verbessert, obwohl das Spannungsfeld, genährt von den unterschiedlichsten Interessen und schwierigen Umständen einer Interessensvermittlung, noch immer gleich große Anforderungen an alle Parteien stellt. Die Einflussnahme von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf Entscheidungen in wirtschaftlichen, personellen und sozialen Angelegenheiten ist im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) festgeschrieben.

Wichtiges Organ: Der Betriebsrat

Der Betriebsrat als gewähltes Interessensorgan wird durch das BetrVG verpflichtet, ausgleichend und deeskalierend zu arbeiten. Die Interessen der Arbeitnehmerschaft sozialverträglich zu vertreten und durchzusetzen ist die eine Seite der Medaille, die andere verlangt genauso viel Augenmaß, wenn es darum geht, unumgängliche Arbeitgeberentscheidungen mit Berücksichtigung der Vermeidung einer sozialen Schieflage mitzutragen.

Eine weitere Säule sozialer Weiterentwicklung in Betrieben und Unternehmen stellt die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) dar. Ihr Auftrag ist geltendes Recht Jugendlicher und Auszubildender zu wahren und Probleme rund um ihre Arbeit und Ausbildung nach Absprache mit dem Betriebsrat Lösungen zuzuführen.

Rechte, Pflichten und Nutzen müssen immer den Anspruch haben in einer Balance zueinander zum Wohle aller Mitarbeiterinnen Mitarbeiter Auszubildenden und der Geschäftsleitung betrachtet zu werden. Das gilt gerade und nicht verhandelbar auch für schwerbehinderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Immer wichtiger: Inklusion

Auch wenn die Sensibilisierung im Segment Integration respektive Inklusion schwerbehinderter Mitarbeiter noch immer nicht so richtig an Fahrt gewonnen hat zählt die Installation der Schwerbehindertenvertretung (SBV) zu einer weiteren sozialen Errungenschaft, basierend auf den vielen Entwicklungsstationen betrieblicher Interessenvertretungen. Hierbei geht es um die gleichberechtigte Teilhabe behinderter und schwerbehinderter Menschen am Arbeitsplatz deren Rechte es gilt uneingeschränkt zu vertreten.

Die Aufgaben einer SBV ergeben sich aus den verbrieften Richtlinien des Sozialgesetzbuchs (SGB). Hier schließt sich bis heute der Kreis der fantastischen Idee für Mitbestimmung und Gleichbehandlungsgebote.

Was vor 160 Jahren mit den ersten begrenzten Mitspracherechten begann, ist auf einem sehr guten Weg. Es ist unbestritten, dass nur mit Toleranz und dem Sinn für das Gemeinwohl ein begonnenes soziales Anliegen im Sinne aller Vorkämpfer fortzuführen ist. Die Keimzelle friedlicher Kooperation kann nur aus ’verlässlicher Gemeinsamkeit’ entstehen.